Warum du mit deiner Familie nach Hiddensee reisen solltest

Hiddensee
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Die autofreie Insel Hiddensee, in der mecklenburgischen Ostsee, gilt seit jeher als Sehnsuchtsort für Künstler:innen und Freigeister. In den letzten Jahren suchen auch immer mehr naturverliebte Familien auf dem Eiland Ruhe und Erholung – und genau das findet man hier.

Bereits die Anreise nach Hiddensee entschleunigt. Autos sind, bis auf wenige Ausnahmen, grundsätzlich verboten und so muss man mit einer Fähre oder einem Wassertaxi fahren, wenn man die Insel besuchen will. Vor Ort gilt das Fahrrad als Fortbewegungsmittel Nummer Eins. Daneben gibt es viele Pferdekutschen, mit denen Tourist:innen ihre Unterkünfte und Ausflugsziele gut erreichen. Und weil die robusten Kaltblüter, welche die Fuhrwerke geduldig über die Straßen ziehen, ihre Spuren hinterlassen, gibt es auf der Insel einen Job der etwas anderen Art. Im Jahr 2018 schaffte es eine ungewöhnliche Stellenausschreibung bundesweit in die Medien. Der Hiddenseer Hafen- und Kurbetrieb hat einen Pferdeäpfelsammler:in gesucht. Aufgesammelt werden die Äpfel in ehrlicher Handarbeit, mit einer Schippe auf einen Fahrradanhängerund an ausgewählten Stellen in der Natur als Dünger entsorgt. Nachhaltiger geht es kaum.

Tourismus ja, Bettenburgen nein

Grundsätzlich wird das Thema Nachhaltigkeit auf Hiddensee sehr ernst genommen. Weniger als tausend Einwohner:innen leben auf der 19 Quadratkilometer kleinen Insel, die an ihrer schmalsten Stelle gerade einmal 250 Meter misst. Sie schätzen die Natur und betrachten es als selbstverständlich, sie zu schützen. Doch je mehr Tourist:innen und je mehr Investor:innen vom Festland die Insel für sich entdecken, desto schwieriger wird diese Mission.

Zu DDR-Zeiten war die Insel unter Urlauber:innen auch bereits beliebt, doch Unterkünfte gab es fastausschließlich in Form privater Fremdenzimmer. Heute bietet Hiddensee ein umfangreiches Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten – von Hotels und Pensionen über Ferienwohnung bis hin zuFerienhäusern. Gegen die Bebauung durch Bettenburgen konnten sich die engagierten Insulaner:innen bislang erfolgreich währen und auch Shoppingmeilen, wie sie für viele Ostseeorte inzwischen obligatorisch sind, sucht man auf Hiddensee vergebens. Doch die Zukunft der Insel ist ungewiss. Rund 135 Bauanträge warten aktuell bei der zuständigen Verwaltung, die ihren Sitz auf der Nachbarinsel Rügen hat, auf eine Entscheidung. Würden sie alle bewilligt, wäre es vorbei mit der Idylle auf Hiddensee. Georg Hauptmann, Literatur-Nobelpreisträger von 1912, der viel Zeit auf Hiddensee verbracht hat, hatte schon früh die Sorge, die Insel könne von Tourist:innen überschwemmt werden:

Hiddensee ist eins der lieblichsten Eilande, nur stille, stille, dasses nicht etwa ein Weltbad werde!

Georg Hauptmann

Einheimische sprechen heute von einer drohenden „Versyltung“ und sind sich sicher: Die Grenzen des Wachstums sind bereits erreicht. Im Sommer sind dieUnterkünfte komplett ausgebucht und auch im Herbst ist die Insel gut besucht. Viele Gäst:innen zieht es immer wieder nach Hiddensee und so sollten sich interessierte Urlauber:innen, die während der Saison verreisen wollen, bereits ein Jahr im Voraus um eine Unterkunft bemühen. Zwischen Januar und März wird es ruhig auf Hiddensee und wer nicht auf Ferienzeiten achten muss, sollte in Erwägung ziehen, zu dieser Zeit anzureisen.

Zu jeder Jahreszeit eine Reise wert

Jede Jahreszeit hat ihren ganz eigenen Charme und so ist die Insel alles andere als eintönig. Im Frühling und Sommer lädt der 13 Kilometer lange Sandstrand zum Sonnen, Sandburgen bauen und Baden ein, im August und September blüht die einmalige Dünenheide und im Herbst fasziniert die Landschaft mit sonnengelb leuchtenden Sanddornbeeren, die ab Oktober geerntet werden. Im Winter hat man gute Chancen, am menschenleeren Strand Bernstein zu finden und auf den Salzwiesen kann man bei eisigen Temperaturen Schlittschuh laufen. Das ganze Jahr über bietet die Insel wunderschöne Wander- und Fahrradwege.

Erste „familienfreundliche Insel“ Deutschlands

Im Jahr 2013 ist Hiddensee als erste „familienfreundliche Insel“ Deutschlands ausgezeichnet worden. Entlang des Erlebnispfades am Nationalparkhausführt die fiktive Figur „Sandkorn Sandy“ kleine Besucher:innen auf bunt illustrierten Tafeln in die Besonderheiten der maritimen Natur ein. Auf verschiedenen Spielelementen können Kinder klettern, balancieren oder mit der Seilbahn sausen. In allen Ortschaften der Insel gibt es Kinderspielplätze, die unter bestimmten Themen wie „Jona und der Wal“ oder „Fischer un sin Fru“ stehen und von einem Holzbildhauer in liebevoller Detailarbeit mitgestaltet worden sind. Für Kinder ab sechs Jahren ist das Wahrzeichen Hiddensees – der Leuchtturm auf dem 72 Meter hohen Dornbuschhügel – ein ganz besonderes Ausflugsziel. Die Außenplattform ist über 102 Treppenstufen zu erreichen, allerdings nur bis Windstärke Sechs, bei trockenem Wetter und ausreichender Sicht geöffnet. Schlechtwettertipps auf Hiddensee sind etwa das Heimatmuseum in Kloster und die Bibliothek in Vitte. Zur Saison bieten außerdem das Zeltkino oder die Bernsteinwerkstatt in Vitte Zuflucht, wenn es draußen regnet und stürmt.

Inselschätze entdecken

Neben Bernstein finden aufmerksame Spaziergänger:innen am Strand Urlaubsmitbringsel wie Donnerkeile und Hühnergötter. Bernsteinebestehen aus fossilem Harz, das in den unterschiedlichsten Farben strahlen kann. Die an der Ostsee häufigsten Farbtöne sind Honiggelb bis Braun. Seltener kommt Bernstein in weiß, blau und schwarz vor. Bei den sogenannten Donnerkeilen handelt es sich umTeile der fossilen Schalen urzeitlicher Tintenfische, der „Belemniten“, die gegen Ende der Kreidezeit ausgestorben sind. Als Hühnergött:innen werden Steine mit einem natürlich entstandenen Loch bezeichnet. Kleinere Exemplare können mit einem Band als Schmuckstück um den Hals getragen oder als Talisman in der Hosentasche aufbewahrt werden. Am Ostseestrand findet man außerdem Kreide-und Feuersteine, Muscheln und manchmal auch Überreste von Krebsen oder ausgetrocknete Seesterne. Einen weiteren Inselschatz stellen die bereits erwähnten Sanddornbeeren dar. Diese werden nach der Ernte zu Saft, Marmelade, Likör, Bonbons und sogar zu Eis und Kuchen verarbeitet. Die fertigen Produkte sind überall auf Hiddensee erhältlich. Sanddorn hat einen siebenfach höheren Vitamingehalt als Zitronen und soll das Immunsystem stärken und gegen Erkältungskrankheiten helfen. Neben natürlichen Schätzen finden viele Urlauber:innen auf Hiddensee Antworten, einen klaren Kopf und manche sogar zu sich selbst. Gibt es etwas Wertvolleres?

Rebecca Sommer Journalistin Autorin Naturkind
Rebecca Sommer

Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 35-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.