Dein Kind ist ein:e Stubenhocker:in? Das kannst du tun

Stubenhocker zum Rausgehen motivieren
© Drobot Dean / Adobe Stock

Du willst, dass dein Kind an die frische Luft geht, dein Kind sitzt am liebsten im Haus? Hier treffen zwei unterschiedliche Vorstellungen von Freizeitgestaltung aufeinander. Wie es dir gelingen kann, dein Kind zum Rausgehen zu motivieren, ohne seine Bedürfnisse zu ignorieren…

Ich bin von ganzem Herzen ein Naturkind und am liebsten draußen unterwegs. Seit meine vier Kinder klein waren, habe ich ihnen Naturverbundenheit vorgelebt. Und dennoch gab es Phasen, in denen sie richtige Stubenhocker bzw. Stubenhockerinnen waren. Es wäre zu einfach, in einem solchen Fall den Eltern die Schuld zuzuweisen. Denn neben Eltern gibt es im Umfeld von Kindern zahlreiche Menschen, die ihr Verhalten beeinflussen und ihre Interessen prägen. In Zeiten von Social Media hat sich dieser Kreis an Influencer:innen (zu Deutsch: „Beeinflusser:innen“) noch deutlich vergrößert. Und durch mobile Endgeräte wie Smartphones, Tablet-PCs oder auch Spielekonsolen und Fernseher ist das Stubenhocken in den letzten Jahrzehnten immer attraktiver geworden. Diese Entwicklung können wir Erwachsenen doof oder sogar besorgniserregend finden, aber kaum aufhalten.

Medienzeiten statt Medienverbot

Ein generelles oder temporäres Medienverbot auszusprechen ist aus pädagogischer Sicht keine gute Idee. Denn wenn wir unseren Kindern etwas so Attraktives verbieten, wollen sie es in der Regel umso mehr. Sie werden versuchen, sich heimlich Zugang zu verschaffen und entweder mit einem großen Geheimnis leben oder – sollte es auffliegen – einen Vertrauensbruch begehen, der die Eltern-Kind-Beziehung nachhaltig negativ beeinflussen kann.

Zudem grenzen wir sie auf diese Weise von Gleichaltrigen ab. Wenn ein Teenager keinen Zugang zu sozialen Medien hat, kann er:sie auf dem Pausenhof bei den meisten Gesprächsthemen nicht mitreden. Hat er:sie kein eigenes Smartphone, bekommt er:sie nicht mit, was die Klasse im WhatsApp-Chat schreibt. ___STEADY_PAYWALL___Verabredungen finden heutzutage meist auf digitalem Wege statt und ein Zugehörigkeitsgefühl entsteht in unserer digitalisierten Welt nicht zuletzt durch das Sharen, Liken, Snappen usw. Wir Eltern müssen das nicht verstehen. Freilich sollten wir aber ein Auge darauf haben, welche Apps und Spiele unsere Kinder nutzen und welche Serien oder Filme sie ansehen – diese sollten altersentsprechend sein. Auch sollten wir mit ihnen immer wieder in den Dialog gehen und sie darüber aufklären, dass gerade in sozialen Medien vieles „gefaked“ ist und nicht der Realität entspricht.

Die von der BZgA als jeweilige Obergrenze empfohlene Medienzeit für Kinder und Jugendliche in der Übersicht:

- Empfohlene Medienzeit für Zehn- bis Zwölfjährige: eine Stunde pro Tag beziehungsweise sieben Stunden pro Woche
- Empfohlene Medienzeit für 13- und 14-Jährige: 1,5 Stunden pro Tag beziehungsweise 10,5 Stunden pro Woche
- Empfohlene Medienzeit für 15- und 16-Jährige: zwei bis 2,5 Stunden pro Tag beziehungsweise 14 bis 17,5 Stunden pro Woche

Als Alternative dazu gibt es eine einfache Faustregel für die maximale Bildschirmnutzungszeit deines Kindes: Orientiere dich am Alter. Ist das Kind beispielsweise zehn Jahre alt, sollte es in der Freizeit maximal zehn Stunden pro Woche mit digitalen Medien verbringen. Bei einem 13-jährigen Kind beträgt die maximal empfohlene Bildschirmzeit entsprechend 13 Stunden.  
Quelle: Barmer

Und wir sollten unseren Kindern keinen unbegrenzten Zugang zu digitalen Medien geben. Medienzeiten sind eine gute Möglichkeit, um bewusste Pausen zu schaffen. Bei vielen Kindern und Jugendlichen kommen solche Regeln nicht gut an und sie protestieren. Doch das sollte Eltern nicht davon abbringen, ihre Kinder vor einem Übermaß an digitalem Medienkonsum zu schützen. Eine offene Kommunikation ist auch in diesem Fall wichtig. Unsere Kinder sollten begreifen, dass wir Eltern sie mit Medienzeiten nicht ärgern, sondern unterstützen wollen. Digitale Medien haben ein hohes Suchtpotenzial und können dazu führen, dass sich Kinder oder Jugendliche von ihrer Außenwelt mehr und mehr abschirmen. Die Folgen können für ihre Entwicklung, für ihre psychische und physische Gesundheit fatal sein. Lies dir dazu auch den Beitrag Naturdefizitsyndrom durch.

Alternativen aufzeigen

Gerade Kinder und Jugendliche, die in den letzten Monaten oder gar Jahren einen hohen digitalen Medienkonsum hatten, tun sich oft schwer damit, in medienfreien Zeiten alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu finden. Wir Eltern können ihnen diese aufzeigen und ihnen Impulse geben. Mit der Zeit werden sie (wieder) lernen, ihre freien Zeiten selbst zu gestalten. Dabei sollten wir Eltern akzeptieren, dass unsere Kinder gerade andere Bedürfnisse haben, als wir und dass sie nicht jeden unserer Vorschläge begrüßen. Ideen für Beschäftigungen mit Teenagern in der Natur findest du auch im Beitrag Von wegen langweilig: Mit Teenagern Natur erleben.

Ohne Belohnungen oder Bestrafungen auskommen

Du wünschst dir, dass dein Kind mehr Zeit draußen verbringt – das ist absolut verständlich. Frische Luft und Bewegung sind wichtig und gesund. Doch weder das Locken mit Belohnungen noch das Drohen mit Bestrafungen sollte dein Kind dazu bewegen, das Haus zu verlassen. Auf diese Weise würde es die Draußenzeit als Mittel zum Zweck oder als Pflicht wahrnehmen. Vielmehr soll es durch Erlebnisse ein Interesse daran entwickeln und selbst erkennen, dass es ihm guttut und Spaß macht, draußen zu sein.

Rituale einführen

Rituale sind für Kinder und die ganze Familie sehr wichtig. Warum das so ist, kannst du auch im Beitrag Die Familie im Jahreskreis – warum Rituale für Kinder wichtig sind nachlesen. Du kannst in eurem Alltag zu jeder Zeit ein neues Ritual etablieren und dieses bewusst mit Draußenzeit verbinden. Dabei solltest du das Alter und die Interessen deines Kindes berücksichtigen und natürlich muss das Ritual auch in deinen Tagesablauf passen, damit es wirklich regelmäßig stattfinden kann. So kannst du beispielsweise jeden Mittwoch nach dem Kindergarten noch für eine Stunde mit deinem Kind auf einen Spielplatz gehen oder jeden Samstag gemeinsam zu Fuß zum Brötchenholen gehen.

Das Ziel ist das Ziel

Uns Erwachsenen geht es oft einfach um das Draußensein. Wir können spazieren ohne Ziel oder mit dem Rad eine Runde drehen. Für Kinder ist es meist einfacher, wenn sie ein Ziel vor Augen haben. Dieses sollte jedoch – wie zuvor erwähnt – nicht als Belohnung kommuniziert werden. Statt zu sagen: „Wenn du es schaffst, fünf Kilometer mit dem Rad zu fahren, bekommst du zur Belohnung ein Eis“ lieber sagen: „Wir fahren jetzt mit den Rädern zur Eisdiele“. Das Ziel muss nicht immer ein cooler Ausflugsort sein, der Eintritt kostet. Es kann auch selbst erschaffen werden. Beispielsweise kann man sich einen Ort in der Nähe suchen, zu dem man regelmäßig einen Spaziergang unternimmt und an dem man einen mitgebrachten oder unterwegs gesammelten Stein ablegt. Mit der Zeit wächst an diesem Ort ein Steinhaufen und die meisten Kinder sind stolz, an einem solchen „Bauwerk“ mitgewirkt zu haben. Man kann sich hierfür auch noch einen Namen ausdenken – beispielsweise der „Meyer-Berg“, wenn man Meyer heißt.

Den Weg interessanter gestalten

Trotz Ziel vor Augen erscheint Kindern der Weg oft endlos lang und furchtbar langweilig. Gerade wenn dieser zu Fuß bestritten werden soll. Je nach Alter des Kindes können andere Highlights in den Weg integriert werden, um ihn interessanter zu gestalten. Bei Kleinkindern, die nicht gern selbst laufen können schon kleine Tricks helfen: Etwa kann man mit einem Stock eine Wellenlinie oder Zickzacklinie auf den Weg zeichnen und das Kind darauf entlang gehen lassen. Oder Kreise und das Kind hüpft von Kreis zu Kreis. So bemerkt es gar nicht, wie viele Wegmeter es schon hinter sich gebracht hat oder wie viele noch vor ihm liegen – denn es konzentriert sich immer nur auf den nächsten Schritt. Etwas größere Kinder können auch aufgefordert werden, die nächsten Meter auf einem Bein zu hüpfen, im Krebsgang oder (unter Aufsicht) rückwärts oder (an der Hand geführt) mit geschlossenen Augen zu gehen.

Man kann den Weg auch nutzen, um eine Schatzsuche zu machen und Naturmaterialien zu sammeln – unsere Naturkind Druckvorlagen können dabei helfen. Ein Schnitzmesser oder eine Becherlupe dabei zu haben, kann ebenfalls sinnvoll sein, um die Kinder zwischendurch zu beschäftigen. Auch ein Naturführer, mit dem man unterwegs Pflanzen oder Tiere bestimmen kann, ist eine tolle Sache. Was bei den meisten Kindern gut ankommt, ist ein wildes Picknick zwischendurch – mit ein paar leckeren Snacks, die man zu Hause eingepackt hat.

Rebecca Sommer Journalistin Autorin Naturkind
Rebecca Sommer

Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 35-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.