„Ach, komm schon – nur ein Gläschen“, viele Schwangere bekommen in ihrem Umfeld regelmäßig Alkohol angeboten. Die Antwort darauf sollte immer „NEIN DANKE“ lauten. Denn Alkohol kann für Ungeborene weitaus schädlicher sein, als viele denken.
Tante Inge feiert ihren 70. Geburtstag, Kollege Thorsten verabschiedet sich in den Ruhestand, Cousine Britta heiratet endlich ihren Traummann – Anlässe zum Anstoßen gibt es das ganze Jahr über zahlreiche. Das typische „Gläschen Sekt“ wird dabei gern bagatellisiert und regelmäßig auch Schwangeren angeboten. Diese sind nicht selten verunsichert, gerade wenn Frauen, die selbst bereits Kinder bekommen haben, das „bisschen Alkohol“ als „nicht so schlimm“ abtun. Doch jeder Tropfen Alkohol in einer Schwangerschaft ist einer zu viel.
Alkohol schädlicher, als Heroin?
Bei einer Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2017 waren acht Prozent der Befragten der Überzeugung, ein Glas Wein, Bier oder Sekt während der Schwangerschaft würden dem ungeborenen Kind nicht schaden. Expert:innen jedoch sind sich heute einig, dass bereits geringe Mengen Alkohol schädlich für ein ungeborenes Kind sein können. Der Alkoholkonsum einer Schwangeren könne sogar schädlicher sein, als der Konsum von harten Drogen, wie Heroin oder Kokain. Während sich ein Baby nach der Geburt von harten Drogen regenerieren könne, seien die durch Alkohol angerichteten Schäden oft bleibende. (Was selbstverständlich kein Freifahrtschein für harte Drogen sein soll!)
Risiko einer Fehlgeburt erhöht
Durch Alkoholkonsum in der Schwangerschaft erhöht sich das Risiko einer Fehlgeburt. Auch zu Frühgeburten und einem geringen Geburtsgewicht des Babys kommt es häufiger, wenn die Mutter zuvor Alkohol konsumiert hat. Schädigungen des Gehirns sowie körperliche Fehlbildungen beim Baby können ebenfalls Folgen von Alkoholkonsum in der Schwangerschaft sein. Jedes Jahr kommen allein in Deutschland rund 10.000 Kinder mit einer Fetalen Alkoholspektrumstörung (FADS) auf die Welt, etwa 2.000 von ihnen weisen schwerste Entwicklungsstörungen auf. Eine Unbedenklichkeitsgrenze für Alkohol in der Schwangerschaft gibt es nicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät Schwangeren deshalb offiziell auch von kleinen Mengen Alkohol ab.
Das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“
Wer bewusst eine Schwangerschaft plant, sollte auf Alkohol bereits in den „Übungs-Zyklen“ verzichten. Da niemand mit Gewissheit sagen kann, wann es zu einer Befruchtung und erfolgreichen Einnistung kommt, ist man mit diesem Verhalten auf der sicheren Seite und vermeidet Alkohol bereits bevor der Schwangerschaftstest ein (positives) Ergebnis liefert.
Viele Frauen werden jedoch ungeplant schwanger und konsumieren, so lange sie von ihrer Schwangerschaft noch nicht wissen, weiterhin Alkohol. Entscheiden sie sich nach einem positiven Testergebnis für die Fortsetzung der Schwangerschaft, sorgen sie sich häufig, ob der frühe Alkoholkonsum ihrem Ungeborenen bereits geschadet haben könnte. In der Frühschwangerschaft gilt, laut Mediziner:innen, jedoch das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“. Und das funktioniert so: Innerhalb von zehn bis 14 Tagen nach der Zeugung nistet sich eine befruchtete Eizelle in die Gebärmutterschleimhaut ein. Eine stark geschädigte Eizelle teilt sich in der Regel nicht weiter und nistet sich gar nicht erst ein. Sie geht mit einer Blutung ab, was von der betroffenen Frau oft unbemerkt bleibt und für eine gewöhnliche Menstruationsblutung gehalten wird.
Hat sich ein Embryo nach zehn bis 14 Tagen in die Gebärmutterschleimhaut eingenistet, wird er weiterhin von der Natur geschützt. Obwohl sein Blutkreislauf von nun an mit dem seiner Mutter verbunden ist, gilt zunächst weiterhin das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“. Da seine Zellen noch keine speziellen Funktionen haben, können sie bei Beschädigung häufig durch andere Zellen ersetzt werden. Gelingt dies nicht, geht der Embryo mit einer frühen Fehlgeburt ab – oft ebenfalls von der betroffenen Frau unbemerkt.
Sobald der Verdacht auf eine Schwangerschaft besteht, meist um die fünfte Schwangerschaftswoche herum, wenn die Menstruationsblutung ausbleibt, sollte vorsichtshalber auf Alkohol gänzlich verzichtet werden.
Alkohol zur Geburtseinleitung?
Noch immer wird Alkohol von gut meinenden Menschen zur Geburtseinleitung empfohlen. Gegen Ende der Schwangerschaft wird diese für viele Frauen so beschwerlich, dass sie die Geburt herbeisehnen und nach Hausmitteln suchen, um die Wehen auf natürliche Weise anzuregen. Ein Glas Sekt, Wein oder Bier soll dazu beitragen – so ein weit verbreitetes Ammenmärchen. Doch auch hiervon raten Expert:innen dringend ab. Zum einen weiß man heute, dass Alkohol die Wehentätigkeit eher hemmt, denn ankurbelt und zum anderen kann ein alkoholisches Getränk zu Kreislaufproblemen führen und somit die Unfallgefahr der Schwangeren erhöhen.
Rebecca Sommer
Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 36-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.