Sollen wir unserem Baby einen Schnuller geben oder lieber nicht? Falls ja, ab wann und wie oft und wie lange? Rund um den Schnuller stellen sich Eltern viele Fragen. Wir haben auf einige davon passende Antworten gesammelt…
Auf nahezu jeder Erstausstattungsliste für Babys steht er: Der Beruhigungssauger – umgangssprachlich auch Schnuller oder Nuckel genannt. Seit mehr als 70 Jahren stillt er das Saugbedürfnis von Babys und soll dafür sorgen, dass die Kleinen weniger weinen und schneller einschlafen. Und tatsächlich funktioniert das oft recht gut. Nur wenige Babys lehnen Schnuller komplett ab. Die meisten lassen sich damit (für einen Moment) beruhigen. Doch Schnuller haben auch Nachteile und die sollten Eltern kennen, ehe sie sich dafür entscheiden.
Ersatz für die Brust
Das natürliche Saugbedürfnis eines Babys kann durch die mütterliche Brust gänzlich befriedigt werden. Nicht nur wenn ein Baby Hunger oder Durst hat, verlangt es die Brust. Auch wenn es sich unsicher oder unwohl fühlt, angespannt, ängstlich oder müde ist oder Schmerzen hat, kann das Saugen an der Brust das innere Gleichgewicht wieder herstellen und beruhigend wirken. Hat eine Mutter also die Zeit, Geduld und fühlt sich damit selbst wohl, kann auf einen Schnuller getrost verzichtet werden und sie kann ihrem Baby stattdessen auch außerhalb der Stillmahlzeiten ihre Brust zur Beruhigung geben. Im Alltag gestaltet sich das aber eher schwierig und gerade wenn die Mutter noch andere Verpflichtungen oder größere Kinder hat, wird sie das nicht in jeder Situation realisieren können. Manche Mütter entscheiden sich aus individuellen, persönlichen oder aus medizinischen Gründen gegen das Stillen und möchten ihrem Baby dann auch nicht zur Beruhigung die Brust anbieten. Beides ist vollkommen in Ordnung. Keine Mutter ist eine schlechtere Mutter, nur weil sie ihr Baby nicht rund um die Uhr frei über ihre Brüste bestimmen lässt. Doch das natürliche Saugbedürfnis ist nunmal da – bei manchen Babys ausgeprägter, als bei anderen – und es sollte immer zeitnah erfüllt werden.
Einige Babys saugen an ihren Fäustchen oder Fingern, wenn ihnen die Brust nicht angeboten oder verweigert wird. Manche Babys tun das bereits im Mutterleib und kommen sogar mit kleinen Saugbläschen auf der Haut zur Welt. Das „Daumenlutschen“ abzugewöhnen kann später jedoch eine echte Herausforderung werden – denn die Hände stehen nunmal 24/7 zur Verfügung und dieser Versuchung zu widerstehen ist für kleine Kinder, die daran gewöhnt sind, nicht leicht. Zudem ist das Risiko für Kiefer- und Gaumenverformungen beim „Daumenlutschen“ höher als beim Saugen an einem Schnuller – da der Daumen (oder die Finger) härter ist/sind.
Meine Erfahrung: Erst NEIN, dann JA
Als ich vor 17 Jahren zum ersten Mal schwanger war, habe ich mich aus Überzeugung gegen einen Schnuller für mein Baby entschieden. Ich selbst war ein Schnullerkind, hatte das Ding noch mit fünf Jahren hin und wieder im Mund und konnte ohne gar nicht einschlafen. Die Folgen: Furchtbar schiefe Zähne und großer Abschiedsschmerz, als ich meinen geliebten „Duddi“ dann doch eines Tages wieder weggeben sollte. Das wollte ich meinem Kind ersparen. Außerdem fand ich die Vorstellung doof, dass mein Baby stundenlang auf Plastik herum lutscht und irgendwo hatte ich damals gelesen, dass Latex keine Alternative dazu sei, da dadurch eine Latexallergie überhaupt erst ausgelöst werden könnte. Auch wenn mein Sohn nicht einmal geboren war, habe ich mir bereits ausgemalt, dass er mit Latexallergie später bei der Wahl geeigneter Verhütungsmittel eingeschränkt wäre. Hinzu kam meine Beobachtung anderer Eltern, die ständig genervt nach den Schnullern ihrer Kinder suchen mussten, während die Kleinen brüllten. Einen ganzen Vorrat hatten einige Familien und durchlebten Dramen, wenn einer der Schnuller in den Dreck gefallen oder unterwegs verloren gegangen war. Nein, das wollte ich alles nicht. Also habe ich diesen Punkt auf der Baby-Erstausstattungsliste einfach ignoriert und keinen Schnuller besorgt.
Dann kam der Tag der Geburt im Krankenhaus und damals war es noch nicht alltäglich, dass Babys dauerhaft im Zimmer ihrer Mütter auf der Wöchnerinnenstation liegen. Stattdessen wollten mir die Schwestern etwas Erholung gönnen und haben meinen Sohn zwischendurch samt mobilem Bettchen ins „Kinderzimmer“ der Station gebracht. Dort lagen freilich mehr Babys als dass Schwestern Dienst gehabt haben. Und wenn mehrere Babys gleichzeitig geweint und nicht alle auf den wenigen Armen beruhigt werden konnten, war es üblich, ihnen Schnuller in die kleinen Münder zu stecken. Wenigstens für den Moment waren sie dann ruhig. Im „Wochenbett-Modus“ habe ich davon zunächst gar nichts mitbekommen. Erst, als mein Sohn mit Schnuller im Mund zu mir gebracht wurde. Was war ich sauer! Damals noch ein Teenager hat mich natürlich niemand ernst genommen. Und vielleicht war das gut so – denn der Schnuller wurde im ersten Lebensjahr meines Kindes letztlich zu einem wirklich nützlichen Begleiter für uns. Meine drei weiteren Kinder haben alle mal mehr und mal weniger „geschnullert“. Die Abschiede verliefen (mit etwas Vorbereitung und viel Einfühlungsvermögen) gut und schiefe Zähne hat keines dauerhaft gehabt. Im Nachhinein bin ich dankbar, dass es Schnuller gibt und halte sie für nützliche Gadgets im turbulenten Familienalltag. Aber Nachteile haben sie dennoch und die sollte man kennen, ehe man sich wirklich dafür entscheidet.
„Richtiges Schnullern“ und Nachteile eines Schnullers
Hat sich die Mutter also dagegen entschieden, das natürliche Saugbedürfnis allein durch das Angebot ihrer Brust zu erfüllen und kommt das Lutschen an Daumen oder Fingerchen ebenso nicht in Frage, kann ein Schnuller eine mögliche Lösung sein. ___STEADY_PAYWALL___Er sollte jedoch nie den Körperkontakt, Liebe und Zuwendung ersetzen oder dem Baby aufgezwungen werden. Wenn ein Baby auf andere Weise nicht beruhigt werden kann, dann kann ein Schnuller eine Ergänzung sein.
Fällt ein Schnuller aus dem Mund des schlafenden Babys, sollte er nicht aktiv wieder reingesteckt werden. Es ist auch nicht notwendig, dass ein größeres Kind ständig einen Schnuller im Mund hat – auch wenn es gerade spielt oder anderswie beschäftigt ist. Dass ein Schnuller mal herunterfällt, kommt vor. Eltern sollten ihn dann niemals ablecken – denn darüber können unter anderem Karies und Herpesviren übertragen werden – sondern ihn abspülen. Eine in früheren Generationen verbreitete Methode, die definitiv nicht praktiziert werden sollte, ist das Eintunken des Schnullers in Zuckerwasser, Honig oder gar Bier, um das Baby noch schneller zu beruhigen. Ein absolutes No-Go!
Die meist genannten Nachteile eines Schnullers:
- Schnuller bestehen in der Regel aus Plastik, Silikon und Latex und müssen über die Restmülltonne entsorgt werden – verursachen also vermeidbaren Müll.
- In den ersten Lebenswochen haben Babys noch sehr kleine Mägen und bei gestillten Babys hat sich die Muttermilchproduktion in der Regel noch nicht eingespielt. Entsprechend haben Babys in dieser Zeit sehr oft Hunger und wenn sie häufig nach der Brust verlangen, dann tatsächlich vorrangig zur Nahrungsaufnahme. Wird in dieser Situation ein Schnuller zur Beruhigung angeboten, kann das zu einer Unterernährung führen, außerdem zu einer sogenannten „Saugverwirrung“, die Stillprobleme zur Folge haben kann und weiterhin dazu, dass die Muttermilchproduktion nicht ausreichend angeregt wird. Das sogenannte „Clusterfeeding“ kann anstrengend für die Mutter, aber auch sehr wichtig sein.
- Ein Schnuller kann die Kommunikation zwischen Eltern und Baby oder später auch Kleinkind behindern. Ab etwa sechs bis acht Wochen beginnen die meisten Babys zu lautieren. Ein Schnuller kann dabei ebenso hinderlich sein, wie bei der späteren Sprachentwicklung.
- Außerdem hinderlich kann ein Schnuller in der „oralen Phase“ eines Babys sein. Es ist natürlich und für die Entwicklung wichtig, dass Babys (ungefährliche) Gegenstände zum Mund führen und mit Lippen und Zunge abtasten. Stecken Eltern in diesen Situationen immer wieder einen Schnuller in den Mund, kann dieser Entwicklungsprozess gestört werden. Die „orale Phase“ beginnt meist etwa ab drei Monaten und kann sich bis zum zweiten Geburtstag erstrecken.
- Die Verwendung eines Schnuller kann, Studien zufolge, die Entwicklung von schmerzhaften Ohrentzündungen fördern.
- Hat sich ein Kind über einen längeren Zeitraum an einen Schnuller gewöhnt, fällt der Abschied oft schwer und kann zu einem nervenaufreibenden, langwierigen Prozess werden. Viele Expert:innen raten auch deshalb, mit der Entwöhnung möglichst früh zu beginnen.
- Kinder die nach dem dritten Geburtstag noch einen Schnuller haben, können dadurch bleibende Kiefer- und Zahnfehlstellungen bekommen, welche später behandelt werden müssen oder unbehandelt zu weiteren Langzeitproblemen (etwa mit der Halswirbelsäule) führen können.
Rebecca Sommer
Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 36-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.