Rauhnächte: Altes Brauchtum neu entdeckt

Rauhnächte Erklärung
© Sonja Birkelbach / Adobe Stock

 Gerade in unsicheren Zeiten, in denen das Außen im Wandel ist und sich Menschen nicht mehr auf Gewohntes verlassen können, gewinnen Rituale und Bräuche an Bedeutung. Sie können ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermitteln und helfen, Stabilität zu gewinnen. Ein Jahrhunderte altes Brauchtum, das in den letzten Jahren von vielen neu entdeckt wird, sind die Rauhnächte, die im Zeitraum des Jahreswechsels zelebriert werden.

In früheren Zeiten, noch bevor es elektrisches Licht und Heizungen gab, haben die Menschen in Europa den Winter als besonders hart empfunden. Die Tage waren kurz, die Nächte lang und oft war es bitterkalt. Sie haben ihre Aktivitäten heruntergefahren, weniger gearbeitet und sind näher zusammengerückt. Weil es für viele Naturphänomene noch keine wissenschaftlichen Erklärungen gab, haben sie Gestalten wie Engel und Götter, Geister und Dämonen oder den Teufel für vieles verantwortlich gemacht. Böse Gestalten zu vertreiben und die Guten für sich zu gewinnen war das Ansinnen von vielen Menschen und der Grund für die Entstehung zahlreicher Rituale und Bräuche.

Der Ursprung der Rauhnächte

Über den Ursprung der Rauhnächte gibt es viele Mutmaßungen, jedoch keine eindeutigen Belege. Manche gehen davon aus, dass es sich um einen alten heidnischen Brauch handelt, andere wiederum halten für wahrscheinlicher, dass der Übergang vom Römischen zum Julianischen Kalender ausschlaggebend war. Nicht einmal über den genauen Zeitraum ist man sich einig. Die meisten Quellen nennen die zwölf Nächte nach dem 24. Dezember und vor dem 6. Januar Rauhnächte. Davon gehen auch wir im weiteren Beitrag aus. 

Rituale und Aufgaben

Die Rauhnächte können individuell gestaltet werden. Es gibt kein Richtung oder Falsch. Die Rauhnächte bieten eine Gelegenheit, bewusst auf das alte und in das neue Jahr zu blicken. Sie können eine Zeit der Stille, des Loslassens, der Reinigung und des Neubeginns sein.___STEADY_PAYWALL___ In der Regel werden in jeder Nacht Rituale abgehalten, manchmal auch am Tag bestimmte Aufgaben erledigt. Aufgaben können sein Schulden zu begleichen, Geliehenes zurückzugeben oder zurückzufordern, einen vorangegangenen Streit aufzulösen oder etwas anderes vor Jahresende zum Abschluss zu bringen. Manche Menschen erledigen diese Dinge bewusst noch vor Beginn der Rauhnächte. Rituale sind beispielsweise das Ausräuchern der Wohnung, das Verbrennen von zuvor geschriebenen Wunschkarten oder das Vorhersagen der Zukunft mit Orakeln oder Tarotkarten. Man kann diese Zeit aber auch nutzen, um Entspannungsrituale in den Alltag zu integrieren – Meditationen, achtsame Spaziergänge, Bastel- oder Malstunden. Einfach das, was einem selbst guttut und einem dabei hilft, zur Ruhe zu kommen.

Die Bedeutung von Träumen

Jede der zwölf Rauhnächte steht für einen Monat im neuen Jahr. Die erste für den Januar, die zweite für den Februar und so weiter. Nicht nur die einzelnen Rituale werden danach ausgewählt, auch die Träume in diesem Zeitraum spielen eine Rolle. Was vor Mitternacht geträumt wird, soll für die erste und was danach geträumt wird für die zweite Monatshälfte gelten. Nicht alle Menschen erinnern sich am nächsten Morgen an ihre Träume oder gar die Uhrzeit. Das Schreiben eines Traumtagebuchs kann dabei helfen. Das ist ein einfaches Notizbuch, das auf dem Nachttisch liegt und dem die Träume noch in der Nacht festgehalten werden. Die Traumdeutung während der Rauhnächte ist jedoch kein Muss – man kann auch gänzlich darauf verzichten.

Verbote und Aberglauben

Heutzutage wird das Brauchtum der Rauhnächte gern frei interpretiert. An strenge Regeln und Verbote halten sich die wenigsten. Diese sind vor Jahrhunderten aus Aberglauben heraus entstanden. So sollten die Menschen damals beispielsweise „zwischen den Jahren“ keine Wäsche waschen und aufhängen, weil das Unheil und sogar den Tod ins Haus locken könnte. Spinnen sollte man zu dieser Zeit auch nicht – das würden nur Hexen tun. Haare und Nägel zu schneiden war ebenfalls ein Tabu. Ein Verstoß könnte zu Gicht oder Kopfweh im nächsten Jahr führen. In der Frühe zu pfeifen könnte Pech bringen und das laute Zuschlagen einer Tür ein Gewitter auslösen. Doch auch wenn uns einige dieser Regeln merkwürdig vorkommen mögen, so haben sie mit der modernen Auslegung doch etwas gemeinsam: In dieser besonderen Zeit soll es möglichst ruhig und besonnen zugehen.

Abschniednehmen und Loslassen

Selbst Menschen, die nicht an Engel, Götter, Dämonen, Geister oder andere Wesen glauben, können die Rauhnächte bewusst nutzen – etwa um in ihrem Leben Ordnung zu schaffen. Sowohl im wahrsten als auch im übertragenen Sinn. Entrümpeln sollte man während dieser Zeit zwar nicht, doch es spricht nichts gegen einen gründlichen Hausputz oder etwas Wellness. In der Psychologie spricht man davon, dass die Ordnung im Außen oftmals die Ordnung im Innen spiegelt. Haben wir ein ordentliches und hygienisches Umfeld, sind wir demnach auch eher mit uns selbst im Reinen.

Neubeginn und Übergang in den Alltag

Das neue Jahr stellt für viele Menschen einen Neubeginn dar. Wer in den Rauhnächten mit Vergangenem abgeschlossen hat, kann sich auf besondere Weise darauf einlassen. Der Übergang in den Alltag beginnt bei diesem Brauchtum nicht an Neujahr, sondern erst am Dreikönigstag – dem 6. Januar. Die ersten Tage im neuen Jahr können als sanfte Übergangsphase verstanden werden.

Vorbereitungen auf die Rauhnächte

Wer die Rauhnächte als ruhige und besinnliche Zeit erleben will, kann schon einige Zeit vorher Vorbereitungen treffen. Zunächst sollte überlegt werden, ob man die einzelnen Rituale lieber allein abhält, mit der Familie, Freund:innen oder in einer Gruppe mit zunächst fremden Menschen. Es gibt angeleitete Kurse – vor Ort oder online, denen man sich anschließen kann. Eine Teilnahme sollte rechtzeitig gebucht werden. Wer die Rauhnächte mit Kindern verbringen will, sollte mit ihnen vorab darüber sprechen, auch Bücher zu diesem Thema, die sich speziell an Familien richten, können bei der Vorbereitung nützlich sein. Einige Rituale können für kleinere Kinder angsteinflößend sein, diese kann man alleine durchführen – sollte sich aber vorab schon um eine Betreuung kümmern. Zur Vorbereitung kann auch das Besorgen oder Bereitlegen der benötigten Materialien gehören. Das Einreichen von Urlaub, das Verlegen von Terminen oder das Suchen eines schönen Orts im Haus oder in der Natur, an dem man einige der Rituale entspannt abhalten kann.

Wie heißt es richtig?
Rauhnächte, Raunächte oder auch Rauchnächte sind unterschiedliche Begriffe für das gleiche Brauchtum. Über den Wortursprung gibt es Unklarheiten, weshalb alle Schreib- und Ausdrucksweisen korrekt sind. In manchen Regionen wird auch von Glöckelnächte, Innernächte oder Unternächte gesprochen.

Nützliches für die Rauhnächte

Vor Beginn der Rauhnächte kannst du für das Durchführen verschiedener Rituale einige Materialien heraussuchen oder besorgen. Im Folgenden einige Beispiele und Inspirationen.

  • Kerzen
  • Edelsteine
  • Orakel-Karten
  • Runen
  • Ätherische Öle
  • Duftlampe
  • Räucherstäbchen und -halter
  • Weihrauch
  • Getrocknete Kräuter
  • Räucherschale
  • Feder
  • Notizbuch/Tagebuch
  • Schachtel (für die Wunsch-Karten)
  • Meditationskissen
  • Yogamatte
  • Bastelmaterial
Rebecca Sommer Journalistin Autorin Naturkind
Rebecca Sommer

Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 35-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.