Nicola Schmidt: „Kinder müssen nicht alles teilen“

Nicola Schmidt Interview artgerecht
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Die Gründerin des artgerecht-Projekts und Bestseller-Autorin Nicola Schmidt hat vor Kurzem ihre ersten beiden Kinderbücher herausgebracht. Darin behandelt sie das Thema Streit unter Kindern und gibt nicht nur den Kleinen, sondern auch Erwachsenen wertvolle Tipps. Im Interview spricht sie mit uns darüber.

Naturkind: Gerade hast du deine ersten beiden Kinderbücher herausgebracht. War es für dich herausfordernd, für diese junge Zielgruppe zu schreiben?

Nicola: Oh ja! Ich versuche ja sowieso immer, mich kurz zu fassen – Eltern haben schließlich keine Zeit für lange Monologe. Aber bei Kindern ist die Messlatte nochmal höher. Da muss jedes Wort sitzen. Gleichzeitig hatte ich die große Hilfe der Bilder – und mit Lisa Hänsch eine Illustratorin, mit der das Zusammenspiel einfach funktioniert. Am Ende ist daraus ein kleines Gesamtkunstwerk geworden, das mehr erzählt, als Worte je könnten.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit der Illustratorin Lisa Hänsch – habt ihr euch vorher schon gekannt? Durftest du deine Ideen mit einbringen oder hast du ihr voll und ganz vertraut?

Der Verlag hat mir ihre Illustrationen gezeigt, und ich wusste sofort: Die ist’s! Als wir dann zusammensaßen, habe ich von der Geschichte erzählt – und Lisa hat direkt angefangen zu zeichnen. Während ich noch in Worten geschwommen bin, hatte sie schon das erste Bild fertig. Ich war begeistert – und hab ihr von da an völlig vertraut. Und ich würde es wieder tun!

In deinen beiden Kinderbüchern behandelst du das Thema Streit unter Kindern – einmal in Bezug auf Geschwister und einmal innerhalb einer Kindergartengruppe. Was hat dich dazu inspiriert?

Streiten können ist eine Schlüsselkompetenz. Unsere Fähigkeit, Konflikte friedlich zu lösen und dabei kooperativ zu bleiben, ist einer der Gründe, warum wir als Menschheit überhaupt so weit gekommen sind. Wenn Kinder das früh üben dürfen, haben sie im Leben einen echten Vorteil. Und uns Erwachsenen spart es später einiges an grauen Haaren.

Muss man streiten lernen?

Unbedingt. Der Mensch wird ja quasi ohne Instinkte geboren – daher ist der Gedanke „Die regeln das schon selbst“ zwar erstmal einfach, aber selten hilfreich. Es ist ein bisschen, als würde man zwei Schimpansen und eine Banane in einen Raum setzen und hoffen, sie machen eine faire Frühstücksverteilung draus. Wir wissen aus der Forschung, dass Kinder weniger streiten, wenn niemand eingreift. Aber das liegt daran, dass sie lernen: Der Stärkere gewinnt. Das ist aber nicht unser Ziel als Eltern.

Ist es manchmal sinnvoll, Kinder ihre Konflikte untereinander austragen zu lassen oder sollten sich Erwachsene immer einmischen und schlichten?

Es kommt auf die Intensität an. Die Grundregel: Solange niemand verletzt wird – körperlich oder seelisch – beobachten wir. Aber wir sind wachsam. Wenn sich die Stimmung verändert, kommen wir frühzeitig dazu. Wir wollen ja, dass sie üben – nicht, dass sie sich aus Versehen schaden.

Hast du Tipps für Eltern, deren Kinder ständig miteinander streiten?

Na klar – das war ja damals der Anlass für mein Buch Geschwister als TeamDie Kurzversion: Wir üben mit den Kindern wie man streitet und sich wieder verträgt – kein Stress damit, ein- oder zwei Mal am Tag reicht. Wir schauen, worum es eigentlich geht – oft streiten Kinder gar nicht um Spielzeug, sondern um Aufmerksamkeit, Nähe oder Zeit. Und wir gestalten den Alltag so, dass es möglichst wenige „Streitfallen“ gibt – also: jedes Kind hat etwas Eigenes, genug Raum, genug Zeit mit Mama oder Papa. Klingt simpel, wirkt aber Wunder.

Wie wichtig ist es, dass Kinder lernen, sich zu entschuldigen? Sollte man sie dazu zwingen – beispielsweise bei einem Konflikt auf dem Spielplatz?

Wichtig, ja. Aber Zwang bringt’s nicht. Wenn ich will, dass ein Kind lernt, Verantwortung zu übernehmen, hilft es wenig, wenn ich es zu einem genuschelten „Tschuldigung!“ dränge, dass dann mehr Ritual als Einsicht ist. Wenn ein Kind das noch nicht allein kann, übernehme ich es stellvertretend: „Es tut mir leid, dass sie dich…“ Und parallel erkläre ich meinem Kind, warum Entschuldigen wichtig ist – aber ohne Druck.

Müssen Kinder teilen lernen oder dürfen sie eine Sache auch für sich beanspruchen (Beispiel Sandspielzeug auf dem Spielplatz mit fremden Kindern teilen oder den Lieblingsteddy mit dem Geschwisterkind)?

Kinder müssen nicht alles teilen. Vor allem nicht ständig und schon gar nicht mit jedem. In vielen Kulturen wird Teilen erst ab etwa drei Jahren überhaupt erwartet. Teilen ist ein Lernprozess. Wir begleiten, wir üben – und wenn’s heute noch nicht klappt, klappt’s vielleicht morgen. Ich frage mich oft selbst: Würde ich mein Handy oder meinen Lieblingsstift gerne mit anderen teilen? Nein? Dann müssen es auch die Kinder nicht. 

Wird es zu weiteren Themen Kinderbücher geben? Und/oder arbeitest du gerade an einem neuen Eltern-Ratgeber?

Die Rückmeldungen sind wirklich schön – Eltern, Pädagog:innen, Kinder: alle finden was darin. Das motiviert natürlich! Ich hätte große Lust, noch mehr im Kinderbuchformat zu forschen. Es gibt so viele wichtige Themen, ja, da geht noch was. Ich hab ja gerade erst damit angefangen.


„Mein artgerecht-Geschwisterbuch“,
von Nicola Schmidt, erschienen bei Ravensburger, 24 Seiten (Pappebuch),
9,99 Euro

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„Streit! Und nun?“, von Nicola Schmidt, erschienen bei Ravensburger, 32 Seiten (gebunden), 14,99 Euro

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