„Unsere Kinder sind frei und flexibel“, Larissa Schweizer über den Alltag im Bauernhofkindergarten

Leben auf dem Bauernhof. Wie viele haben wohl schon als Kind davon geträumt? Beim Konzept Bauernhofkindergarten können diese Träume für die Allerkleinsten wahr werden. Schweine füttern, Schafe versorgen, Eier sammeln – das alles gehört zum Alltag der Kinder, die einen solchen Naturkindergarten besuchen.

Larissa Schweizer, studierte Kindheitspädagogin, Leiterin ihres eigenen Bauernhofkindergartens Gartenkinder und Mitbegründerin des Trägerverbands Kita Natura schildert im Interview, welche Eigenschaften Kinder durch den Umgang mit Tieren entwickeln, wie eine Kindergartenwoche aussehen kann und mit welchen Kosten Eltern rechnen müssen. 


Larissa Schweizer
ist studierte Kindheitspädagogin, Leiterin ihres eigenen Bauernhofkindergartens Gartenkinder und Mitbegründerin des Trägerverbands Kita Natura.


NATURKIND: Worin liegt der Unterschied zwischen Bauernhof- und Naturkindergarten? ___STEADY_PAYWALL___

Larissa Schweizer: Bei einem Bauernhofkindergarten wird die Natur und der Wald durch Tiere ergänzt. Außerdem liegt der hauptsächliche Unterschied in der pädagogischen Konzeption. Die Kinder sind in die Abläufe der Landwirtschaft mit eingebunden, helfen bei der Ernte, sind auf den Feldern unterwegs, gehen zu den Tieren und pflegen sie. Dadurch lernen die Kinder, woher unsere Nahrung kommt und sie wertzuschätzen. 

Ein laufender landwirtschaftlicher Betrieb ist auf den ersten Blick ein eher gefährlicher Ort. Welche Sicherheitsmaßnahmen werden bei einem Bauernhofkindergarten eingehalten?

Zu Beginn der Gründung begehen der Träger und die zuständigen Ämter den Bauernhof und stellen dessen Eignung und mögliche Gefahrenquellen fest, die vom Kindergarten gemieden oder umgebaut werden. Außerdem kann man sagen, dass die Kindergärten in den meisten Fällen an die Betriebe angrenzen und sich nicht mittendrin befinden. Dabei ist der Schutzraum der KiTa eingezäunt und bietet dadurch eine sichere Basis und einen Rückzugsort. Das pädagogische Personal macht dann mit den Kindern Ausflüge auf den Hof, um die Hühner zu füttern oder etwa das Gemüse zu ernten.

Wie sieht eine Woche bei deinen Gartenkindern aus? 

Montag ist unser Gesundes-Müsli-Tag. Wir pressen selbst Getreide zu Flocken, schneiden das Obst und frühstücken danach zusammen. Dienstags haben wir unseren festen Hühnertag. Dann laufen wir mit allen Kindern und unserem Bollerwagen zum Hühnermobil und holen die Eier. Wir bringen sie dann in eine Halle, in der sie verpackt und gestempelt werden. Jeden Mittwoch gärtnern wir gemeinsam und Donnerstags kochen wir über dem Feuer. Außerdem gehen wir alle zwei Wochen mit den Kindern in den Wald. Jeden Freitag ziehen wir schon vor dem Frühstück los zu unserer Hofentdecker-Runde. Wir laufen durch den ganzen Betrieb, schauen, wie das Gemüse bereits gewachsen ist oder sammeln Beeren von den Sträuchern. Manchmal bleiben wir bei der Waschstation stehen und sehen dabei zu, wie Lauch oder Salat gewaschen werden. Die Kinder können dann den Mitarbeitenden all ihre Fragen stellen.

Welche Eigenschaften haben Kinder, die in einem Bauernhofkindergarten betreut werden?

Wir beobachten, dass die Kinder sehr frei und flexibel sind. Jede:r, der/die sich auf einem Bauernhof aufhält, muss flexibel sein, ob Landwirt:in, Erziehende oder Kinder. Denn kein Tag gleicht dem anderen. Außerdem sind „unsere“ Kinder sehr kreativ. Manchmal spielen sie den ganzen Tag auf dem Acker ohne ein einziges Spielzeug zur Verfügung zu haben. Dazu kommt, dass sie durch das viele draußen sein, selten krank sind. 

Bekommst du Rückmeldungen von Schulen, wie sich „eure“ Kinder im Unterschied zu anderen Kindern entwickeln?

Was wir von Grundschulen rückgemeldet bekommen ist, dass die Kinder es nicht gewohnt sind, lange zu sitzen (lacht). Das ändert sich aber immer recht schnell. Dafür haben sie oft eine gute Sozialkompetenz. Wir vermuten, dass das vom Tierkontakt kommt. Im Kindergarten merken die Kinder, dass sie wichtig und für die Tiere verantwortlich sind: wenn sie morgens nicht das gefrorene Wasser bei den Schafen auswechseln, dann haben diese den ganzen Tag lang Durst. Außerdem bekommen wir die Rückmeldung, dass „unsere“ Kinder sehr einfühlsam und achtsam sind. Sie haben in der Klasse eine schnelle Übersicht darüber, wer nicht da ist oder wem es vielleicht schlecht geht. Auch das kommt vom Umgang mit den Tieren: Welcher Kuh geht es gut? Welche liegt schon auffällig lange auf dem Boden? Das überträgt sich auf die Klasse.

Welche Kosten kommen auf Eltern zu, die ihr Kind gerne in einem Bauernhofkindergarten betreuen lassen würden?

Das kommt auf das Bundesland an. Der Kindergarten ist ganz normal, wie jeder andere auch, in der Bedarfsplanung der Stadt oder Kommune aufgenommen. Und dadurch wird er vom Land und den öffentlichen Mitteln finanziert. Die Träger reichen die jährlichen Betriebskosten ein und bekommen dann die Zuschüsse. Damit es keine Unterschiede gibt, versuchen wir (Kita Natura), dass sich die Beiträge an die der anderen Kindergärten anpassen.

Wie ist der Betreuungsschlüssel und ab welchem Alter werden Kinder aufgenommen?

In der Regel bestehen Bauernhofkindergärten aus nur einer Gruppe. Die Anzahl der Kinder pro Gruppe ist, je nach Bundesland, zwischen 16 (Schleswig-Holstein) und 20 Kinder (Baden-Württemberg). Die meisten sind zwischen drei und sechs Jahre alt.

Die Nachfrage nach dieser Art von Naturkindergarten ist sehr groß. Wieso werden die Gruppen nicht vergrößert, um mehr Kinder aufnehmen zu können?

Die Größe des Kindergartens muss zur Größe des Hofs passen, sprich zur Tieranzahl. Ich kann also nicht mit 40 Kindern zu sieben Schafen gehen. Wenn es so wäre, müssten die Gruppen aufgeteilt werden und der regelmäßige Kontakt zum Tier wäre nicht mehr möglich. Und das Konzept will, dass die Kinder jeden Tag Tiere um sich haben. Außerdem liegt es daran, dass oft der Schutzraum des Kindergartens nicht vergrößert werden kann oder bauliche Anforderungen nicht umgesetzt werden können. Daher bestehen diese Kindergärten meist aus nur einer Gruppe.

Ann-Sophie Bader
Ann-Sophie Bader

Ann-Sophie hat im Anschluss an ihr Studium an der Akademie für Mode und Design in Berlin ein achtwöchiges Orientierungspraktikum in der Naturkind Redaktion absolviert. Ihre freie Zeit verbringt die Limburgerin am liebsten mit ihrer Familie im eigenen Camper, beim Pilzesammeln in der Natur oder mit neuen Strick- und Häkelprojekten.