Hühner sind anspruchslose Nutztiere, die jede:r im eigenen Garten oder sogar auf dem Balkon halten kann? Weit gefehlt! Wer Hühnern ein artgerechtes Zuhause und ein würdevolles Leben bieten will, muss einiges beachten. Dann aber sind Hühner interessante Mitbewohner:innen, die einem weit mehr geben, als Eier und Fleisch.
Im ersten „Corona-Jahr“ 2020 war die Zahl der in Tierheimen untergebrachten Hühner im ganzen Land erschreckend hoch. „Unsere Platzkapazitäten sind erschöpft“, hat das Tierheim Berlin zum Jahresende hin erklärt. Beinahe 30 Hühner warten dort aktuell auf ein neues, besseres Zuhause. Die meisten von ihnen haben ein trauriges Schicksal hinter sich und hatten in ihrem bisherigen Leben wenig Glück. So sind beispielsweise sechs der Hühner als Küken in einem Karton in Weißensee ausgesetzt und nur durch einen Zufall gefunden worden. Mehrere Wochen mussten sie mit einer Wärmelampe versorgt und speziell gefüttert werden. Fünf weitere Hühner stammen aus einer qualvollen Haltung auf dem Balkon eines Lichtenberger Hochhauses. Dort hat man sie in zwei Pappkartons gehalten, als sie vom Veterinäramt sichergestellt worden sind. Ihr gesundheitlicher Zustand war katastrophal. Weil sie einander in den Kartons nicht ausweichen konnten, waren sie gestresst und haben sich gegenseitig verletzt. Zustände wie diese sind leider keine Ausnahme, da die private Hühnerhaltung zu einem Trend geworden ist, dem auch immer mehr Menschen folgen, die unerfahren sind und kein ausreichendes Platzangebot haben. Wer also mit dem Gedanken spielt, sich Hühner anzuschaffen, sollte sich zunächst sehr gut informieren und vor einer tatsächlichen Anschaffung entsprechend vorbereiten. Es gibt zahlreiche Bücher und auch kostenfreie Internetangebote, die über Hühnerhaltung informieren.
Streit am Gartenzaun – was ist erlaubt?
Grundsätzlich ist die private Hühnerhaltung in Deutschland und Österreich auch in einem Wohngebiet erlaubt. Hühner zählen wie Meerschweinchen oder Kaninchen zu Kleintieren, deren Anschaffung keine weitere Genehmigung erfordert, sofern sich die Anzahl der Tiere im angemessenen Rahmen hält (einige Gerichtsurteile haben die Zahl auf maximal 20 beschränkt). Allerdings muss die Haltung von Hühnern beim Veterinäramt und bei der Tierseuchenkasse gemeldet werden. Möchte man Hühner im Garten einer Eigentumswohnung halten, sollte man darauf achten, was in den Beschlüssen und Vereinbarungen der Wohnungseigentümer:innen-Gemeinschaft geregelt wurde. Als Mieter:in sollte man seinen Mietvertrag genauer unter die Lupe nehmen und zur Sicherheit Rücksprache mit dem:der Vermieter:in halten. Darüber hinaus zählt das Gebot der Rücksichtnahme. Hühner haben schon für so manchen Streit am Gartenzaun gesorgt und davon sind einige sogar vor Gericht gelandet. Streitpunkt Nummer eins ist die Lärmbelästigung durch einen krähenden Hahn oder das stetige Gackern von Hennen, gefolgt vom strengen Geruch des Hühnermists. Auch wird häufiger die Befürchtung geäußert, ein Hühnerstall in der Nachbarschaft könne zu einer Rattenplage führen. Es ist in jedem Fall ratsam, vor der Anschaffung von Hühnern über das Vorhaben auch mit den umliegenden Nachbar:innen zu sprechen, deren etwaige Sorgen ernst zu nehmen und gemeinsam nach möglichen Lösungen und Kompromissen zu suchen.
Frische Eier aus dem eigenen Garten
Der Trend zur privaten Hühnerhaltung beruht in erster Linie auf der Idee, die frisch gelegten Eier der Tiere zu verwenden. Der:die Durchschnittsdeutsche isst im Jahr 236 Eier. Ein Huhn in privater Haltung (kein Hybridhuhn) hat eine durchschnittliche Legeleistung von 140 bis 180 Eiern. Während es im Sommer nahezu täglich ein Ei legt, lässt die Legeleistung im Winter in der Regel deutlich nach oder erlischt bis zum Frühjahr komplett. Für die Versorgung einer vierköpfigen Familie mit einer haushaltsüblichen Menge Eier, werden fünf bis sechs Hennen empfohlen. Um das ganze Jahr über die Eier der eigenen Hühner verwenden zu können, kann man vor dem Winter Eigelb und Eiweiß zusammen oder getrennt voneinander (aber nicht in eigener Schale, da diese platzen würde) einfrieren. Im Tiefkühlfach sind sie dann acht bis zehn Monate haltbar. Wer Hühner ihrer Eier wegen halten will, sollte bedenken, dass ein Huhn – je nach Rasse – erst ab dem vierten bis siebten Lebensmonat Eier legt. Die Legeleistung nimmt bei vielen Hühnern bereits nach dem ersten Lebensjahr ab und viele Hühner legen nach dem zweiten Geburtstag nur noch selten Eier oder sogar gar keine mehr. Wenige Rassen legen drei bis vier Jahre Eier. Doch Hühner können fünf bis zehn Jahre alt werden. In jedem Fall sollte man also vorab darüber nachdenken, was mit dem Huhn geschehen soll, wenn es keine Eier mehr legt. Soll es geschlachtet werden, dann sollte dies von einem:einer Expert:in und nicht von einem Laien vorgenommen werden. Soll es nicht geschlachtet, sondern bis zu seinem natürlichen Tod weiter gehalten werden und sollen jüngere Hühner zur Gruppe hinzu kommen, wächst damit der Platzbedarf. Kann dieser gedeckt werden?
Ältere Hühner adoptieren
Nicht bei allen Hühnerbesitzer:innen steht der Selbstversorgergedanke im Vordergrund. Wer von Hühnern keine Eier erwartet, kann mit ihrer Haltung selbstlos etwas Gutes tun und Hühner vor dem Schlachthaus bewahren. Verschiedene Vereine, wie Rettet das Huhn e. V. haben es sich zur Aufgabe gemacht, „ausgediente“ Legehennen an Privatpersonen zu vermitteln. Diese Tiere stammen aus Boden-, Freiland- oder Bio-Haltung und sind meist etwa anderthalb Jahre alt. Nach der Aufnahme solcher Hühner sind Geduld und Zuneigung wichtig, denn oftmals handelt es sich um traumatisierte Tiere, die mitunter verhaltensauffällig sein können. Einige sind außerdem körperlich versehrt und benötigen eine besondere Pflege. Manche dieser Hühner haben noch nie Tageslicht oder gar eine grüne Wiese gesehen und sind an Hochleistungsfutter gewöhnt. Die Eingewöhnung in das neue, artgerechte Zuhause ist ein langsamer Prozess. Durch Überzüchtung haben Hühner aus landwirtschaftlichen Betrieben außerdem oft eine verringerte Lebenserwartung.
Hühner sind ungern allein
Egal, ob du ein Huhn kaufen oder adoptieren möchtest – Hühner sind soziale Tiere, die sich in Gesellschaft ihrer Artgenoss:innen am wohlsten fühlen und deshalb nicht alleine gehalten werden sollten. Von Natur aus leben Hühner innerhalb eines Harems, also in einer Gruppe mit mehreren Hennen und einem Hahn. Hennen legen zwar auch ohne die Anwesenheit eines Hahns Eier, fühlen sich in seiner Gesellschaft jedoch in der Regel wohler, da er nicht nur zur Fortpflanzung dient, sondern die Hennen außerdem vor Gefahren wie Eindringlingen beschützt. So gibt er etwa bestimmte Warnlaute von sich, wenn sich ein Raubvogel nähert. Der Hahn fungiert außerdem als „Streitschlichter“ und kann dafür sorgen, dass sich die Hennen untereinander vertragen. Wer einen Hahn in der Gruppe hält, muss damit rechnen, dass regelmäßig befruchtete Eier gelegt werden, denn ein Hahn nimmt seine Aufgabe ernst, die Hennen zu „beglücken“. Mehrmals am Tag ist er hierfür bereit. Befruchtete Eier müssen rechtzeitig aufgesammelt werden, um von den Hennen nicht an- oder ausgebrütet zu werden. Eine Gruppe Hennen kann auch auch ohne Hahn gehalten werden, was manchmal auch aufgrund der Nachbarschaft nicht anders möglich ist. In einigen Fällen kann ein Hahn für Hennen auch Stress bedeuten, etwa wenn er sie zu häufig „beglücken“ will. In einer reinen Hennen-Gruppe beobachtet man manchmal, dass eine dominante Henne die beschützende und Streit schlichtende Rolle einnimmt, die ansonsten klassischer Weise ein Hahn erfüllt.
Das artgerechte Zuhause
Um Hühner möglichst artgerecht halten zu können, braucht man zunächst einmal ausreichend Platz. Der Stall sollte pro Quadratmeter maximal drei durchschnittlich große Hühner (von etwa zwei Kilogramm Körpergewicht) beherbergen. Im Auslauf sollten jedem Huhn zehn Quadratmeter zustehen. Wer sich also für eine Gruppe von sechs Hühnern, wie aus unserem Beispiel, entscheidet, der sollte demnach mit mindestens 60 Quadratmetern Auslauf und mindestens zwei Quadratmetern für den Stall rechnen. Diese Orientierung gilt als Standart, der gerne überschritten werden darf. Größere Hühner benötigen mehr Auslauf, im Umkehrschluss kommen Zwergrassen mit weniger Platz aus.
Der Auslauf
Wenn es das Platzangebot hergibt, kann man eine doppelt so große Fläche einrechnen und unterteilen, sodass man die Hühner mal in den einen und mal in den anderen Bereich lassen kann. Auf diese Weise kann sich die Grasfläche auf der unbenutzten Fläche in dieser Zeit erholen. Der Auslauf muss gut gesichert sein, um die Tiere zu schützen. Hierfür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Die Höhe des Zauns und die Größe der Maschen hängt u. a. von der Größe der Hühner ab und sollte im Einzelfall entschieden werden. Es gibt die Variante eines geschlossenen Auslaufs, der neben einem stabilen Zaun, der rundherum verläuft auch ein stabiles Dach hat. Ein oben offener Auslauf sollte durch ein Geflügelnetz vor Angreifern wie dem Habicht geschützt werden. In diesem Fall bietet sich zusätzlich ein oben abgeknickter Zaun an, der Fuchs, Marder und Co. das Eindringen erschwert. Damit sich diese und andere Fressfeinde nicht einen Weg unter dem Zaun hindurch graben, sollte der Zaun möglichst tief in der Erde eingegraben werden.
Hühner fühlen sich im Freien instinktiv sichererer und sind weniger gestresst, wenn sie Versteckmöglichkeiten wie Sträucher oder Bäume haben. Diese dienen außerdem als Schattenspender an sonnigen Tagen und werden von Hühnern gerne angepickt. Auf dem Boden sollte ein Rasen angelegt werden. Ein Teil des Auslaufs kann mit Platten aus Beton ausgelegt werden. Diese sind leicht zu reinigen und bieten den Hühnern an Regentagen einen sauberen Untergrund. Ein Highlight, über das sich Hühner freuen, ist eine große Wanne, die mit Sand gefüllt ist. Darin wälzen sich die Tiere gerne. Sitzstangen im Außengehege dürfen auch nicht fehlen, denn einige Hühner legen ihre Eier lieber im Freien, als im Stall. Damit Hühner immer gut versorgt sind, sollten auch im Auslauf Wasser- und Futternäpfe bereitstehen. Über einen Misthaufen freuen sich Hühner außerdem, darin können sie ohne Anstrengung scharren und picken und finden dabei Leckereien. Durch das Scharren verteilen sie den Mist aber mitunter im ganzen Auslauf. Eine Lösung ist ein Mistkompost in einer oben offenen Kiste. Außerdem bieten Stroh, Laub, Heu, unbehandelte Holzspäne und Hanfhäcksel Abwechslung.
Wer Hühner frei und ohne eingezäunten Auslauf im Garten halten will, muss damit rechnen, dass sie ausbrechen und über die Grundstücke der Nachbar:innen oder schlimmer die Straße laufen könnten. Außerdem nutzen Raubtiere eine solche Gegebenheit gerne aus, um Hühner zu reißen.
Der Stall
Der Stall ist der Ort, an den sich Hühner am Tag zurückziehen können und in der Nacht geschützt ruhen. Am Abend werden die Hühner in den Stall gebracht und am Morgen wieder herausgelassen. Der Stall muss also fest verschließbar sein. Den einen perfekten Stall gibt es nicht, sondern verschiedene Varianten, über die man sich vorab informieren sollte. Soll es ein mobiler Stall sein oder ein Stall, für den zunächst ein Fundament angelegt werden muss? Reicht das eigene handwerkliche Geschick aus, ein solches Projekt selbst zu realisieren, muss ein Profi ans Werk oder ist ein Bausatz ein Kompromiss? Der Stall sollte zwar nicht zu klein sein, damit jedes Huhn ohne Rangelei einen gemütlichen Platz findet, doch zu groß sollte er auch nicht sein. Selbst in gut isolierten Ställen kann die Temperatur im Winter unter null Grad Celsius fallen. In diesem Fall können sich Hühner durch ihre Körperwärme gegenseitig wärmen. Ist der Stall im Verhältnis zur Hühnerzahl recht groß, funktioniert das weniger gut.
Zugluft und eindringende Feuchtigkeit sollten vermieden werden. Sitzstangen, Kotbretter, Legenester, Tränken und Futtergefäße gehören zur Ausstattung des Stalls. Wichtig ist, dass durch ein Fenster Tageslicht in den Stall fällt. Bei unserer Beispielrechnung sollte das Fenster mindestens einen halben Quadratmeter groß sein. Ein Hühnerstall, dessen Dach sich öffnen oder begehen lässt, erleichtert die Reinigung. Diese sollte regelmäßig stattfinden, um Krankheiten vorzubeugen. Die Kotbretter sollte einmal pro Woche gereinigt und das auf dem Boden ausgelegte Einstreu spätestens alle drei Wochen gewechselt werden.
Wer einen gemauerten Stall bauen will, muss hierfür in der Regel zunächst eine Baugenehmigung einholen.
Fressen Hühner Müll?
Zwar machen sich Hühner dankbar über so manchen Biomüll her, der in der Küche anfällt, doch sind sie nicht als Müllschlucker falsch zu verstehen. Nicht alle Essensreste sind für Hühner geeignet. Die Ernährung von Hühnern sollte ausgewogen und abwechslungsreich sein. Besonders gerne fressen sie Obst, Salat, Kohlblätter, aber auch Gras, Löwenzahn und Brennnesseln. Zusätzlich bietet sich ein Schrotfutter und einmal täglich eine Körnerration an. Manche Hühnerhalter:innen stellen den Tieren auch etwas Muschelkalk zur Unterstützung der Eierschalenproduktion bereit. So soll erreicht werden, dass die Schale härter ist und weniger schnell bricht.
Kinder und Hühner
Auch wenn Hühner keine kuscheligen Weggefährt:innen wie Hunde oder Katzen sind, können sie Kindern eine Freude bereiten und sie im achtsamen Umgang mit Tieren schulen. Nebenbei sie etwas mehr über Lebensmittel und deren Herkunft. Wichtig ist, dass die Kinder noch vor dem Einzug der neuen Freund:innen erklärt bekommen, wie man sich den Tieren nähert und dass man sie beispielsweise nicht grundlos einfangen und wie ein Spielzeug herumtragen oder gar mit Geschirr und Leine spazieren führen sollte. Auch einige Hygieneregeln sollten Kinder im Umgang mit Hühnern kennen – etwa das Händewaschen nach dem Besuch der Tiere.
Kinder können nach und nach an die Aufgaben rund um die Hühnerversorgung herangeführt werden und beispielsweise helfen, sie zu füttern, die Tränken aufzufüllen oder den Stall sauber zu halten. Auch macht es ihnen vielleicht Spaß, Leckereien wie Löwenzahn für die Hühner zu pflücken und ihnen zu bringen oder die Eier einzusammeln. Gerade bei kleineren Kindern und wenn ein Hahn vorhanden ist, sollte immer ein Erwachsener anwesend sein – auch um Verletzungen der Kinder zu vermeiden. Ein Hahn, der seine Hennen verteidigt, kann dabei schonungslos vorgehen. Mit etwas Geduld ist es möglich, dass Hühner zahm werden und Essen aus der Hand aufpicken. Mit noch mehr Geduld kann man einem zahmen Huhn sogar einfache Aufgaben stellen. Viele Menschen sind überrascht, wie klug und lernwillig Hühner sind. Zu den besonders aufgeschlossenen Rassen, die teilweise von sich aus den Kontakt zu Menschen suchen, zählen etwa das Seidenhuhn, einige Zierzwergrassen wie die Zwerg-Chabos oder auch Orpingtons. Doch selbst wenn die Hühner nicht zahm werden, sind sie tolle Tiere, die man stundenlang in ihrem interessanten Sozialverhalten beobachten kann.
Rebecca Sommer
Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 36-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.