Mythen rund um das Tragen von Babys gibt es etliche. Manche halten sich seit Generationen hartnäckig und so müssen sich tragende Eltern oft die wildesten Geschichten und den einen oder anderen gut gemeinten – aber wissenschaftlich nicht nachvollziehbaren – Ratschlag anhören. Wir räumen auf mit einigen dieser Mythen.
Tragetuch, Ring-Sling, Bauchtrage, Rückentrage und Kombi-Systeme – Tragehilfen für Babys gibt es auf dem Markt etliche. Während Mütter, Väter und andere Bezugspersonen mit umgebundenen oder umgeschnallten Tragehilfen hierzulande vor einigen Jahren noch exotisch waren, sieht man sie heute an jeder Ecke. Eine Tragehilfe steht auf den meisten Checklisten für die Baby-Erstausstattung und längst zählen zu den Käufer:innen nicht mehr nur „Hippies“ und „Ökos“ – als welche man tragende Personen früher häufig abgestempelt hat.
Babys sind Traglinge
Tragen ist aktuell „in Mode“ und man könnte fast den Eindruck bekommen, es handle sich dabei um einen neumodischen Trend. Tatsächlich sind Babys aber von Natur aus Traglinge und seit Anbeginn der Menschheit war das Tragen absolut alltäglich. Mit Einführung des Kinderwagens ist diese Art, ein Baby von A nach B zu bekommen, jedoch mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Heute ist die Forschung so weit, dass die positiven Effekte des Tragens belegt sind und so raten immer mehr Expert:innen dazu, ein Baby in den ersten Monaten so häufig wie möglich zu tragen. Eine Tragehilfe ist hierfür ein nützliches Utensil – denn so hat die tragende Person beide Hände frei und ist im Alltag flexibler. Welche Tragehilfe die richtige ist, kann man pauschal nicht beantworten. Das muss jede:r für sich selbst herausfinden. Einen Überblick über die verschiedenen Tragesysteme, die auf dem Markt zu finden sind, geben wir HIER …
Behauptung: Im Sommer überhitzen Babys in der Tragehilfe
Die größte Gefahr einer Überhitzung besteht dann, wenn Babys zu warm angezogen und/oder der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind. An warmen Sommertagen gilt deshalb immer – Babys sollten leichte Kleidung tragen und sich wann immer möglich im Schatten aufhalten. Das gilt im Kinderwagen ebenso wie in einer Tragehilfe. Es gibt spezielle Modelle, die sich für das Tragen im Sommer besser eignen, als andere. Diese sind aus atmungsaktiven Materialien gefertigt. Am besten lässt du dich beim Kauf dazu beraten, wenn du im Sommer viel mit deinem Baby draußen sein wirst oder einen Urlaub in wärmeren Gefilden planst. Solltest du beim Spazierengehen oder Wandern eine längere Zeit ohne Schattenplätze unterwegs sein, ist die Anschaffung eines Sonnenschirms (z. B. im Golfbedarf) sinnvoll.
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Behauptung: Im Winter frieren Babys in der Tragehilfe
Hier gilt das Gleiche, wie für das Tragen im Sommer: Die Wahl der Kleidung ist entscheidend. Nicht nur die Kleidung des Babys, sondern auch die der tragenden Person. An kalten Tagen bieten sich Tragejacken an, die die tragende Person über der Tragehilfe verschließen kann. Alternativ dazu gibt es Trage-Cover – diese werden entweder mit dem Reißverschluss einer gewöhnlichen Jacke verbunden oder wie ein Pullover ohne Ärmel übergestreift. Darunter trägt das Baby ein Outfit im Zwiebel-Look – also mehrere Schichten übereinander. Hier ein ausführlicher Beitrag zu dem Thema: „Babys (richtig) tragen im Winter“. Auch das Material der Tragehilfe kann an die Temperaturen angepasst werden.
Behauptung: Babys die häufig getragen werden, lernen später krabbeln und laufen.
Vorab: Jedes Kind entwickelt sich in seinem ganz eigenen Tempo. Tabellen, wann ein Kind was kann, dienen der Orientierung und sind keine festen Richtwerte. Manche Kinder robben und krabbeln zunächst und wagen dann die ersten Schritte. Andere überspringen das Robben oder das Krabbeln und gehen direkt. Manche sind dann erst zehn, andere schon sechzehn Monate alt oder älter. Sofern bei den Vorsorgeuntersuchungen kein auffälliger Befund vorliegt, ist in der Regel kein Grund zur Sorge gegeben. Fördern oder verhindern kann man diesen natürlichen Entwicklungsprozess vom liegenden zum gehenden Menschlein nur bedingt und die Gefahr, dass ein Kind durch häufiges Tragen später krabbeln oder laufen lernt, ist nicht gegeben. Heute geht man sogar davon aus, dass getragene Kinder schneller und schneller sicher laufen können, weil sie schon früh – durch die Schwankungen in der Tragehilfe – ihren Gleichgewichtssinn trainieren.
Behauptung: Tragen verursacht Rückenschmerzen bei der tragenden Person.
Rückenschmerzen können beim Tragen eines Babys aus verschiedenen Gründen auftreten. In den meisten Fällen werden sie durch eine nicht passende Tragehilfe oder eine falsche Haltung beim Tragen verursacht. Um Rückenschmerzen von vornherein zu vermeiden, sollte man demnach auf einen guten Sitz der Trage achten und diese richtig einstellen. Wenn die gleiche Trage von verschiedenen Personen benutzt wird, muss sie jedes Mal wieder neu eingestellt werden. Bei der Verwendung eines Tragetuchs kann es passieren, dass sich dieses während des Tragens mit der Zeit etwas lockert und nachgebunden werden muss. Vor allem bei elastischen Tragetüchern ist das zu beobachten. Wenn du durch das Tragen Rückenschmerzen bekommst, solltest du dich beraten lassen und ein anderes Tragesystem ausprobieren. Das Tragen ist nicht grundsätzlich schlecht für deinen Rücken. Im Gegenteil: Es kann helfen, deine Muskulatur zu stärken und eine aufrechte Haltung zu trainieren. Hattest du schon vor der Geburt deines Kindes mit Rückenproblemen zutun, solltest du medizinisch abklären lassen, wie und wie oft du tragen darfst.
Behauptung: Tragen ist schlecht für die Hüftentwicklung des Babys.
Stimmt teilweise. Wer sein Baby in einer ungeeigneten Weise trägt – beispielsweise mit dem Blick nach vorn, obwohl die Tragehilfe dafür nicht vorgesehen ist, kann die Hüftentwicklung tatsächlich negativ beeinflussen. Das Gegenteil kann jedoch ebenso der Fall sein. Manche Babys werden mit einer unreifen Hüfte geboren. Die richtige Tragetechnik kann in diesem Fall einen therapeutischen Nutzen haben und verhindern, dass das Baby eine Spreizhose verschrieben bekommen muss.
Rebecca Sommer
Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 36-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.