Über Social Media hat sich in den letzten Monaten ein gefährlicher Trend aus den USA verbreitet: Eltern geben ihren Kindern Schlafmittel in Form von Gummibärchen. Die Nachfrage nach diesen Mitteln steigt auch in Deutschland – dabei sind die Mittel nicht so harmlos, wie sie aussehen.
Kinderärzte und -ärztinnen sind beunruhigt über diesen Trend und haben kürzlich gewarnt: Eltern sollten ihren Kindern keine Mittel mit dem Einschlafhormon Melatonin geben, vor allem nicht in Form von Gummibärchen. Angela Clausen, Expertin für Lebensmittel im Gesundheitsmarkt bei der Verbraucherzentrale NRW, erklärt, warum Nahrungsergänzungsmittel problematisch sind und was bei Kindern zu beachten ist.
Warum sind Melatonin-Gummibärchen riskant?
Melatonin ist ein Hormon und wird als verschreibungspflichtiges Arzneimittel nur bei ganz bestimmten Schlafstörungen eingesetzt. Als Nahrungsergänzungsmittel kann es möglicherweise die Einschlafzeit minimal verkürzen, gerade bei Kindern aber den zirkadianen Rhythmus – also die innere Uhr – völlig durcheinander bringen. Die Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) hatte vor Weihnachten vor der unbedachten Einnahme von Melatonin gewarnt, vor allem in Form von Süßigkeiten wie Gummibärchen. Es gibt Melatonin auch als Tabletten, Sprays, Tees oder Tropfen. In den USA wurde über Todesfälle von Kleinkindern berichtet, die möglicherweise in Zusammenhang mit Melatonin-Überdosierungen stehen. Gerade eine Fruchtgummi-Form kann zu Überdosierungen führen, da die Bärchen als Süßigkeiten wahrgenommen und genascht werden. Und im Gegensatz zu Arzneimitteln müssen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln nicht über Gegenanzeigen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen auf einer Gebrauchsinformation, dem „Beipackzettel“, informieren.
Was ist bei Nahrungsergänzungsmitteln für Kinder generell zu bedenken?
Nahrungsergänzungsmittel sollen bei Bedarf das Essen ergänzen, mehr nicht. Gerade bei Kindern sollte man sehr vorsichtig sein, um die feinen Regelkreisläufe des Stoffwechsels nicht durcheinander zu bringen. Das ist vor allem wichtig, weil viele der Kinder-Nahrungsergänzungsmittel recht hoch dosiert sind. Sie sollten also nicht eigenmächtig gegeben werden, sondern nur nach einer Untersuchung und Beratung in einer Kinderarztpraxis. Das gilt auch, wenn Influencer:innen davon berichten, dass sie ihre eigenen Kinder dank Melatonin in weniger als fünf Minuten zum Schlafen bringen oder diese endlich durchschlafen und man die Bärchen fein geschnitten auch schon den Kleinsten geben könne.
Warum sollten auch Erwachsene Nahrungsergänzungsmittel nicht einfach so einnehmen?
Auch bei Erwachsenen kann der Stoffwechsel gestört werden. Kürzlich wurde berichtet, dass Menschen einen Kupfermangel entwickelt haben, weil sie zu hoch dosiertes Zink genommen haben. Auch bei Vitamin D wird zunehmend von Vergiftungsfällen berichtet. Wer Nahrungsergänzungsmittel nehmen möchte, sollte sich im Klaren sein, was diese leisten können und was nicht und bei der Auswahl darauf achten, dass sie nicht höher dosiert sind, als vom Bundesinstitut für Risikobewertung empfohlen. Zur Behandlung von Beschwerden oder gar Krankheiten sind Nahrungsergänzungsmittel die falsche Wahl.