Die zwei wichtigsten Dinge, um dein Kind vor Zivilisationskrankheiten zu schützen

Zivilisationskrankheiten
© Jacob Lund

Als 14-jähriger Junge wurde Krystian Manthey zum Schmerzpatienten. Zehn Jahre später klärt er als Buchautor und Medizinredakteur darüber auf, wie Schmerzen entstehen und wie Eltern ihre Kinder vor Zivilisationskrankheiten schützen können.

Ein Alptraum für alle Eltern: Ich war etwa 14 Jahre alt, als Rückenschmerzen mich erstmals aus dem unbeschwerten Alltag rissen – trotz fast täglichen Sports. Der darauffolgende Ärzte- und Therapiemarathon blieb – wie leider bei so vielen Menschen – ergebnislos. Über die Jahre verschlimmerten sich meine Schmerzen, breiteten sich vom Nacken bis zum Knie aus und sie wurden chronisch. Im Alter von etwa 20 Jahren konnte ich keine 500 Meter mehr joggen, ohne unerträgliche Schmerzen zu bekommen. Die meisten sportlichen Hobbys musste ich aufgeben. 

Heute bin ich weitestgehend schmerzfrei

Heute – etwa zehn Jahre später – habe ich zwar immer noch Beckenschiefstand, Skoliose, Morbus Scheuermann etc., aber ich bin weitestgehend schmerzfrei. Um zu verstehen, wie mir das gelungen ist, reicht es nicht über Bewegung und Ernährung zu sprechen. Das Problem und damit die Lösung ist sehr viel tieferliegender. Die gute Nachricht: Du kannst sehr viel dafür tun, dass deinem Kind diese Odyssee erspart bleibt.

Zuallererst musst du jedoch verstehen, warum Symptome und Krankheiten wie Schmerz, Bluthochdruck oder Energielosigkeit entstehen. Müssten wir – das Ergebnis Jahrmillionen langer gnadenloser Auslese – nicht genetisch perfekt und schmerzfrei sein?

Abbildung aus dem Buch „Wa(h)re Gesundheit“ von Krystian Manthey

Warum spüren wir Symptome? 

Der menschliche Körper ist – wie auch jedes andere Leben – ein hochkomplexes, selbstregulierendes, dynamisches System, das sich pausenlos selbst repariert. Unermüdlich werden Zellen erneuert, DNA-Fehler beseitigt und Verletzungen geheilt. Allein in der Haut „erblicken“ etwa eine Milliarde neue Zellen jeden Tag das Licht der Welt. 

Gäbe es diese ständige Selbstheilung nicht, würde kein Lebewesen existieren können. Selbstheilung ist ein fundamentaler Baustein, der es jedem Leben ermöglicht, Störungen eigenständig zu beheben und Balance anzustreben. Kommt es jedoch aufgrund zu starker Störfaktoren zu Dysbalancen, überwiegt zum Beispiel entweder Zellabbau (z. B. Osteoporose) oder ungeregelter Zellaufbau (Tumor) und du wirst krank.

Gäbe es diese ständige Selbstheilung nicht,
würde kein Lebewesen existieren können.

Krystian Manthey

Medizinische Maßnahmen allein können dich deshalb nicht heilen. Heilen kann nur dein Körper selbst. Aber Therapeut:innen können mit den entsprechenden Maßnahmen und Worten die Selbstheilung unterstützen – oder aber auch verschlechtern. 

Dadurch ist es auch logisch, dass das was wir als Wohlergehen bzw. Gesundheit empfinden, das Ergebnis dieser harmonisch ablaufenden körperlichen Selbsterhaltungs-Funktionen ist. Kommt es jedoch durch innere oder äußere Faktoren zur Entgleisung dieses inneren Gleichgewichts, ist das eine Gefahr für unseren Organismus. Und damit wir dieser Gefahr unsere Aufmerksamkeit schenken, alarmiert uns unser biochemisches Wunderwerk namens Körper mit einem negativ spürbarem Symptom. 

Wichtiges Warnsignal

Was wir Maschinen kompliziert beizubringen versuchen, um frühzeitig Systemfehler und Schäden zu erkennen, macht unser Organismus auf verblüffend intelligente Weise mit Symptomen. Deshalb meldet er sich mit Rückenschmerzen bei langem Sitzen und fordert Bewegung – quasi als Symbol, um mal wieder für dich einzustehen. Deshalb zwingt er Sie beim Burn-out zur Ruhe, wenn Sie Ihren Körper und Ihren Geist ans Leistungslimit gebracht haben. 

Diese Symptome jedoch richtig zu deuten, um entsprechende Maßnahmen einzuleiten, ist nicht immer leicht. Aber es leuchtet sicherlich ein, wie fatal die (zumindest dauerhafte) Symptomunterdrückung durch Medikamente ist. Dadurch hindern Sie Ihren Körper daran, Ihnen mitzuteilen, dass Sie irgendetwas ändern müssten, um wieder Balance herzustellen. Stattdessen ebnet man mit ausschließlich symptomatischer Behandlung den Weg für immer neue und stärkere Beschwerden.

Diese Symptomunterdrückung passiert aber auch durch einen anderen Mechanismus: Schon als kleines Kind werden wir zum Stillsitzen gedrillt und müssen lernen, unser Bedürfnis nach Bewegung zu unterdrücken. Ein Kind, dass das nicht mitmacht und Zappelphillip oder Zappellise bleibt, muss dann mit der vorenthaltenen Liebe der Bezugspersonen klarkommen. So oder so wird ein Grundbedürfnis bei leider sehr vielen unterdrückt. Und diese Bedürfnisunterdrückung lässt dann auch Symptome schlechter wahrnehmen. Wir verlieren im wahrsten Sinne die Verbindung zu unserer eigenen Lebendigkeit. Ein Roboter hat auch keine Bedürfnisse und funktioniert super – genauso wie viele es von Kindern erwarten. Und da sehen wir schon, wie früh wir bei der Prävention ansetzen müssen.

Dein Körper ist keine emotionslose Maschine!

Mir sagte einmal eine Ärztin wenig einfühlsam: „Herr Manthey, Sie sind kerngesund, vermutlich sind Ihre Schmerzen psychisch.“ Damals wollte ich das nicht wahrhaben. Mein Leben machte mir doch prinzipiell Freude, weshalb sollte ich es „im Kopf haben“ und mir meine Schmerzen einbilden?

Nach weiteren Jahren quälender Schmerzen wurde mir jedoch klar, wie unglaublich stark die Macht der Gedanken, der Glaubenssätze, also letztlich wie stark die Kraft der Psyche ist. Hierzu zwei absolut verblüffende Studien:

  • In der ersten Studie haben Ärzt:innen schwangeren Frauen erzählt, sie bekämen ein wirksames Mittel gegen ihre Übelkeit. Die Schwangeren bewerteten die Wirkung als sehr gut. Tatsächlich aber erhielten sie ein Brechmittel. Die pharmakologische Wirkung wurde allein durch die Kraft der Überzeugung und der Gedanken somit sogar ins Gegenteil verkehrt. 
  • In einer weiteren Studie hat man Patient:innen mit Bluthochdruck Beta Blocker verschrieben. Der einen Gruppe hat man von der möglichen Nebenwirkung über eine erektile Dysfunktion –  also der Verlust der Manneskraft – nichts gesagt. Die andere Gruppe wies man explizit auf die mögliche Nebenwirkung ihres Medikaments hin. 3 von 10 Probanden der letzten Gruppe hatten daraufhin Probleme mit ihrer Manneskraft – dreimal häufiger als die Probanden, die nichts über diese Nebenwirkung wussten.

Was lernen wir daraus? 

Gesundheit wird viel zu oft auf das rein Körperliche bezogen. Jedoch ist der menschliche Körper keine emotionslose Maschine, deren „verschlissenen Teile“ man einfach austauschen oder mit Maßnahmen von außen reparieren kann – zumindest dauerhafte Heilung ist so nicht möglich, was wir spätestens am Verschleiß und den Problemen mit künstlichen Hüften und Co. immer wieder sehen. 

Wie die Nicht-Erfüllung psychischer Grundbedürfnisse krank macht

Durch das Wissen des letzten Kapitels wird auch klar, dass wir mit unseren Gedanken und Worten gegenüber anderen sehr achtsam umgehen sollten: Je nach dem können wir uns selbst oder unser Gegenüber im wahrsten Sinne kränken oder stärken. 

Das ist auch ganz logisch: Denn der Mensch ist ein Herdentier. Seit Beginn der menschlichen Entwicklung sind Verbundenheit und Zusammenhalt essenziell für die erfolgreiche Reproduktion. Erst die Kooperation machte uns zur mächtigsten Spezies des Planeten. Droht uns soziale Isolation zum Beispiel durch Mobbing, führt das zu Störungen im Gehirn (die sogenannte Inkohärenz) und damit möglicherweise über Dauer auch zu körperlichen Symptomen wie Verspannungen oder Bluthochdruck.

Seit Beginn der menschlichen Entwicklung sind Verbundenheit und Zusammenhalt essenziell für die erfolgreiche Reproduktion.

Krytian Manthey

Neben diesem psychologischen Grundbedürfnis nach Verbundenheit haben wir auch das Bedürfnis nach Wachstum und Autonomie: Mit der Entstehung als Embryo ist dieser jeden Tag – sowohl körperlich als auch mental – etwas (über sich hinaus) gewachsen. Schritt für Schritt hat die bzw. der Heranwachsende, erst als Baby und später als Kleinkind und Jugendlicher, sich Kompetenzen angeeignet und wurde autonomer, also frei.

Die Ursache von Krankheit ist deshalb nicht, dass wir uns zu wenig bewegen, uns ungesund ernähren, schlecht schlafen, rauchen oder zu viel Alkohol trinken. Wir tun all diese ungesunden Dinge, weil die Unterdrückung und die Nicht-Erfüllung unserer Grundbedürfnisse dazu geführt hat, dass wir uns selbst nicht mehr spüren. Bis ein Alarmsignal in Form unserer Symptome stark genug ist, um uns zu motivieren, die Dinge anders, – eben gesünder und natürlicher –, zu machen, ist der eigene Körper meist schon krank. 

Der erste wichtige Punkt, was du als Mutter oder Vater tun kannst, ist auf die Bedürfnisse deines Kindes zu achten und diese „lebendig“ zu halten. Natürlich gibt es soziale Normen, wo man auch als Kind stillsitzen sollte. Aber wo es nicht zwingend erforderlich ist, sollte dein Kind seinen Grundbedürfnissen nachgehen können. Gemeint ist nicht der Wunsch nach Zucker, sondern solche Grundbedürfnisse wie Bewegung und Ruhe, Verbundenheit und Wachstum.   

Die bio-psycho-soziale Selbstinventur: Was uns krankt macht, was uns heilt

Der zweite wichtige Punkt ist, dass du ein Vorbild sein solltest. Dafür ist es notwendig, dass du selbst vorlebst, wie ein gesundes Leben funktioniert und wie man seine Grundbedürfnisse innerhalb sozialer Normen lebt. 

Und dafür möchte ich dir bewusstmachen, dass dein Gesundheitszustand das Ergebnis wechselseitiger Beeinflussung auf biologischer, psychologischer und sozialer Ebene. Eine gesunde Körperbiologie ist ohne einen gesunden Geist und ein intaktes Sozialleben nicht vollumfänglich möglich. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass du viele Stellschrauben hast, um Krankheiten zu begegnen.

Folgend einige Beispiele für Reize, die unseren Gesundheitszustand positiv wie negativ beeinflussen:

Biologische FaktorenPsychologische FaktorenSoziale Faktoren
häufige und vielfältige Bewegung, Ausdauer und Kondition, Meiden von einseitigen Bewegungen und Überlastung, guter Schlaf, gesundes Körpergewicht, Nichtraucher, wenig Alkohol, gesunde Ernährungpositive Überzeugungen, hohe Selbstwirksamkeit, kognitive Flexibilität, Akzeptanz, Achtsamkeit, Stressresistenz, geringe Angst, positive Stimmungpositive kulturelle Faktoren, unterstützende Familie und Arbeits-/ Schulumgebung, finanzielle Sicherheit, Bildungsniveau

Zur Verdeutlichung wann Symptome beziehungsweise Krankheit entstehen, kannst du dir ein Fass vorstellen, dessen Fassungsvermögen deine Belastbarkeit darstellt: Immer dann, wenn die Gesamtbelastung durch die auf dich zu jedem Zeitpunkt einwirkenden bio-psycho-sozialen Reize größer ist als deine körperliche und psychische Belastbarkeit – das innere Gleichgewicht also zu stark aus dem Lot gerät –, meldet sich dein Körper mit Symptomen; folgend verdeutlicht am Symptom Schmerz:

Abbildung aus dem Buch „Wa(h)re Gesundheit“ von Krystian Manthey

Daraus ableitend ergibt es erstens Sinn, dass du deine Belastungen und Gefahren reduzierst und/oder deine Sicherheiten und Belastbarkeit erhöhst. Führe dafür jetzt eine Selbst-Inventur durch (und lass eine dir nahestehende Person ergänzen):

Belastungen/Gefahrenerhöht die Belastbarkeit / bietet Sicherheit
Bspw. hohes Arbeitspensum, Sorgen um Angehörige, vieles Sitzen (Bewegungsmangel)Bspw. Rückhalt in der Familie, stabile und unterstützende Partnerschaft, Yoga/Sport

Diese simple Methode hilft dir dabei, mehr Bewusstheit für deine aktuelle Situation wieder zu erlangen. Denn allzu leicht verliert man im Alltag das Gefühl für das eigene Befinden und merkt gar nicht mehr, was einen eigentlich belastet und was einem guttut – und wie das Verhältnis von beidem ist. Welche Stellschraube du daraufhin als erstes angehst, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist: Willst du, dass sich deine Gesundheit und dein Wohlbefinden verbessern, musst du etwas ändern. 

Weitere Infos und Leseprobe…

Krystian Manthey
Krystian Manthey

Krystian Manthey ist Medizinredakteur und engagiert sich mit all seiner Energie für mehr Gesundheitskompetenz und Nachhaltigkeit in der Gesellschaft. Durch seinen eigenen (erfolgreich beendeten) Leidensweg weiß der erfolgreiche Blogger, wie ermüdend die Suche nach gesundheitlicher Hilfe oft ist. All die Erkenntnisse, die er auf seinem Leidensweg gemacht und aus tausenden Studien und hunderten Büchern über diverse Krankheitsbilder gewonnen hat, teilt der Autor in verständlicher Sprache und in plausiblen Zusammenhängen in seinem Gesundheitsratgeber Wa(h)re Gesundheit: Der Gesundheitskompass im Therapie-Dschungel mit einem Vorwort vom bekannten Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther.