Was ist eigentlich dieses „Natural Parenting“?

Natural Parenting NP
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Natural Parenting könnte man mit natürliche Elternschaft ins Deutsche übersetzen. Doch was ist damit eigentlich gemeint? Ein Definitionsversuch …

Der Begriff Attachment Parenting (kurz AP) hat sich – auch wenn er umstritten ist – inzwischen weit verbreitet und die meisten Eltern haben ihn zumindest schon einmal gehört, können ihn vermutlich sogar erklären. (Falls nicht, siehe: „Attachment Parenting: Mehr als ein Trend!“) Der Begriff Natural Parenting (kurz NP) hingegen hat sich hierzulande noch nicht durchgesetzt – obwohl dieser Lebensstil viele Bausteine des Attachment Parenting beinhaltet und viele Familien wie selbstverständlich danach leben.

Erziehungsstil, Konzept, Label – warum muss alles einen Namen haben?

Warum braucht es dafür überhaupt einen Namen? Im Grunde ist es wirklich nicht bedeutend, sich zu einem bestimmten Erziehungsstil oder „Anti-Erziehungsstil“ zu bekennen, strikt ein bestimmtes Konzept zu verfolgen oder sich selbst zu labeln. Wer läuft schon draußen herum und sagt: „Ich praktiziere Natural Parenting!“ Doch einen Namen dafür zu haben, kann hilfreich sein, wenn man Gleichgesinnte sucht oder Literatur zu diesem Thema. Unter dem Begriff Attachment Parenting ist weltweit eine Community gewachsen und es gibt auch im deutschsprachigen Raum zahlreiche Social-Media-Gruppen, Blogs, Podcasts und Bücher, in denen sich interessierte Eltern Ratschläge holen können. Man fühlt sich weniger allein, wenn man sich mit anderen Eltern austauschen kann, die ähnliche Werte vertreten – und diese findet man nicht immer in der unmittelbaren Umgebung. Im Gegenteil: Dort stoßen Eltern oft auf Kritik, wenn sie erzählen, dass sie ihre Kinder lange stillen, tragen, im Familienbett schlafen und nicht alleine schreien lassen. Diese für das Attachment Parenting typischen Praktiken machen unter anderem auch das Natural Parenting aus. Aber Natural Parenting umfasst noch etwas mehr. Im Grunde ist es kein Erziehungs- sondern ein Lebensstil.

Natural Parenting: Ein Definitionsversuch

Für den Begriff Natural Parenting gibt es (auch im englischen Sprachraum) keine allgemeingültige Definition. Man kann diesen Lebensstil als Kombination aus mehreren Bausteinen beschreiben. Die Grundsätze des Attachment Parenting gehören für die meisten dazu, außerdem ein nachhaltiger Lebensstil und ganzheitliche Gesundheitspraktiken, für manche Familien außerdem „Homeschooling“ (also der Unterricht zu Hause) oder „Unschooling“ (was man mit „Freilernen“ übersetzen könnte). Die letzten beiden Punkte sind in Deutschland schwierig umzusetzen, da es eine Schulpflicht gibt. Bis zum Schulalter behalten viele „Natural Parenting Familien“ ihre Kinder jedoch zu Hause und verzichten zumindest auf den Kindergartenbesuch oder entscheiden sich für einen späteren Kindergarteneintritt – oft auch für ein alternatives Konzept wie einen Naturkindergarten. Eine freie Schule, etwa eine Waldorf- oder Montessori-Schule ist dann für viele eine Alternative zur staatlichen Regelschule. Wobei auch hier gilt: Jede Familie ist anders und es gibt durchaus auch viele NP-Familien, die ihre Kinder früh in eine Betreuung geben und deren Kinder Regelschulen besuchen.

Nachhaltigkeit und Naturverbundenheit ist vielen wichtig

Vielen NP-Familien ist das Thema Nachhaltigkeit wichtig – sie wickeln beispielsweise mit Stoff, konsumieren bewusst und achten beim Einkauf von Lebensmitteln auf Saisonalität, Regionalität, Bioqualität und bei der Wahl von Kleidung und Gegenständen auf eine hohe Qualität und Langlebigkeit – wo möglich auch auf natürliche Materialien. Die Ausstattung für ihre Kinder ist eher minimalistisch und größtenteils ökologisch vertretbar. Sie verzichten vielleicht auf ein Auto oder Flugreisen oder engagieren sich anderweitig für den Klima- und Naturschutz. Sie verbringen viel Zeit im Freien und lassen ihre Kinder Naturerfahrungen sammeln. Sie achten auf eine ausgewogene Ernährung und bei kleineren Verletzungen oder einer Erkältung werden zunächst natürliche Heilmittel bevorzugt, ehe zu Chemie gegriffen wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass NP-Eltern Schulmedizin gänzlich ablehnen. Das eine schließt das andere absolut nicht aus und auch Kinder, die naturverbunden aufwachsen, gehen zu Vorsorgeuntersuchungen, bekommen Schutzimpfungen und bei ernsteren Erkrankungen ärztlich angeratene Medikamente.

No family is perfect!

Bei allem Engagement gilt: No family is perfect. Wer sich selbst unter Druck setzt, alle Bausteine des Natural Parenting in sein Familienleben zu integrieren und zu streng mit sich selbst ist, wird damit nicht glücklich werden. Jede Familie sollte für sich entscheiden, was im individuellen Fall wirklich praktikabel ist, ohne die Lebensqualität spürbar zu mindern.

*Am Wort Erziehungsstil oder grundsätzlich Erziehung stören sich viele. Gras wächst schließlich auch nicht schneller, wenn man daran zieht. Für eine möglichst einfache Erklärung benutzen wir diese Begriffe im Artikel dennoch.

Rebecca Sommer Journalistin Autorin Naturkind
Rebecca Sommer

Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 35-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.