Fast jede dritte klinische Geburt erfolgt via Bauch-Operation. Früher hat man diese landläufig „Kaiserschnitt“ genannt. Heute verwenden immer mehr Menschen den Begriff „Bauchgeburt“. Wieso, weshalb, warum, erfährst du in diesem Beitrag.
Der Fachbegriff für die Geburt via Bauch-OP heißt Sectio caesarea. Das ist Lateinisch und bedeutet übersetzt so viel wie Kaiserschnitt. Woher dieser Name kommt, ist umstritten. Es gibt verschiedene Theorien. Ein Mythos der sich hartnäckig hält besagt, dass der Name mit dem römischen Kaiser Julius Cäsar zutun hat, der auf diese Weise geboren sein soll. Forschende halten es inzwischen jedoch für wahrscheinlicher, dass der Name im Mittelalter geprägt worden und auf das lateinische Wort „caedere“ zurückzuführen ist, das übersetzt „schneiden“ bedeutet. Im Mittelalter hat man Kinder, die auf diese Weise geboren sind „caesones“ (Schnittlinge) genannt.
Schon etwa 500 Jahre vor der Geburt des römischen Kaisers war die „Schnittgeburt“ bekannt, wie historische Überlieferungen belegen. Im römischen Gesetzbuch wurde sie sogar schriftlich geregelt. Darin stand die Verpflichtung, einer im sterben liegenden oder gerade verstorbenen Schwangeren den Bauch aufzuschneiden und das Kind herauszuholen – um es zu retten oder wenigstens getrennt von der Mutter beerdigen zu können. Da ein solcher Eingriff zu dieser Zeit noch ein Todesurteil für die Frau war, war es verboten, ihn an einer gesunden Schwangeren durchzuführen. Das erste Mal, dass das Überleben einer Frau nach einem solchen Eingriff nachgewiesen werden kann, war im Jahr 1500, wie ein Schriftstück besagt.
Dass die Mutter von Julius Cäsar die Geburt ihres Sohnes überlebt hat, ist eines von zahlreichen Indizien, die dafür sprechen, dass sie eine Vaginalgeburt hatte und die Geschichte um den „Kaiserschnitt“ eine Legende ist.
Gründe gibt es diverse
Heutzutage ist es Mediziner:innen erlaubt, eine Sectio caesarea auch ohne medizinische Notwendigkeit durchzuführen und sie gilt hierzulande als Routineeingriff. Die Müttersterblichkeit bei dieser Form der Geburt liegt in Deutschland inzwischen bei 0,04 Promille (das bedeutet, das eine von 25.000 Frauen stirbt). Persönliche Gründe, aus denen sich eine Person für diese Form der Geburt entscheidet, gibt es diverse. Oft wird dann von einem „Wunschkaiserschnitt“ gesprochen, was für die Betroffenen sehr verletzend sein kann.
Ehe ein solcher Eingriff geplant wird, wird die Schwangere detailliert über die möglichen Risiken und Folgen aufgeklärt und auch zu Alternativen beraten. Eine Geburt via Operation ist kein Spaziergang und in vielen Fällen erholen sich Frauen davon langsamer als von einer Vaginalgeburt. Keiner Frau sollte man unterstellen, diese Entscheidung leichtfertig getroffen zu haben, ein „Geburtserlebnis“ verpasst zu haben oder ihr Kind gar weniger zu lieben. In vielen Fällen stecken ernste Probleme wie traumatische Erfahrungen in der Vergangenheit dahinter und nicht etwa Bequemlichkeit oder gar ein Terminwunsch. Doch viel häufiger als persönliche Gründe führen medizinische Gründe dazu.
Das können beispielsweise folgende sein:
- Sauerstoffunterversorgung des Kindes
- Ungünstige Lage (etwa Querlage)
- Fehllage der Plazenta (etwa vor dem Muttermund)
- Drohender oder vorhandener Riss der Plazenta
- Vorzeitige Ablösung der Plazenta
- Nabelschnur-Vorfall
- Infektion der Mutter mit Genital-Herpes
- HIV-Infektion der Mutter
- Präeklampsie (Schwangerschaftsvergiftung)
- Geburtsstillstand
- Auffällige Herztöne des Kindes während der Geburt
- und weitere …
Worte können verletzen
Dass Worte verletzen können, ist wohl unumstritten. Gerade wenn es um die Themen Schwangerschaft, Geburt und Elternsein geht, sind viele Menschen sensibel. Eine Person, die ihr Kind über eine Sectio caesarea zur Welt gebracht hat – egal ob ungeplant oder geplant – hat eine Bauch-Operation hinter sich, die eine lebenslange Narbe hinterlassen hat. Wie der Eingriff verkraftet wird, ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Manche Betroffenen haben danach körperliche oder seelische Probleme und brauchen eine Weile, sich davon zu erholen. Viele haben zuvor stundenlang Wehen durchgestanden, bis es zu einer Notsituation und dem Eingriff kam. Andere wussten zwar schon Wochen oder Monate vorher davon, doch haben eine Zeit voller Sorgen hinter und teilweise noch vor sich (etwa wenn diese Geburtsform gewählt wurde, weil das Kind gesundheitliche Probleme hat). Alle Betroffenen haben ihre eigene Geschichte, die niemand sonst erlebt hat und über die sich niemand sonst ein Urteil bilden sollte. Ihnen direkt oder indirekt abzusprechen, ihr Kind geboren zu haben oder weniger Strapazen hinter sich zu haben, kann in vielen Fällen verletzend sein.
Ist das Wort „Bauchgeburt“ sensibler?
Immer mehr Menschen hinterfragen deshalb die Bezeichnung „Kaiserschnitt“ und verwenden stattdessen die Alternative „Bauchgeburt“. Der Begriff enthält das Wort Geburt und soll dadurch ihrer Meinung nach sensibler sein als der Begriff Kaiserschnitt, der das Wort Schnitt beinhaltet und den Vorgang als solchen damit in den Ohren vieler abwertet. Zudem wird auf diese Weise das Gendern (Kaiser:innenschnitt) umgangen, ohne jemanden sprachlich auszuschließen – für manche ein weiteres Argument. Statt Wunschkaiserschnitt sagen viele lieber geplante Bauchgeburt und setzen diese damit gleich mit einer medizinisch notwendig geplanten Bauchgeburt – um zu zeigen, dass sie die Entscheidung respektieren. Außerdem werden Bezeichnungen wie „natürliche Geburt“, „normale Geburt“ oder „Spontangeburt“ für eine Vaginalgeburt immer häufiger abgelehnt, weil sie vermitteln können, dass eine Bauchgeburt weniger wert oder etwas Unnormales/Unnatürliches sei.
Eine Umfrage in unserer Naturkind-Community bei Instagram hat ergeben, dass 61 % weiterhin das Wort „Kaiserschnitt“ bevorzugen, aber bereits 39 % lieber „Bauchgeburt“ sagen oder hören. Die Umfrage haben einige Community-Mitglieder zum Anlass genommen, uns ihre Sichtweise auf dieses Thema detaillierter zu schildern. Interessant war der Blickwinkel von drei Müttern, die je eine Sectio caesarea hinter sich haben und das Wort „Kaiserschnitt“ lieber mögen, weil „Bauchgeburt“ in ihren Ohren zu harmlos klingt für das, was sie im OP erlebt haben. Für sie und sicherlich viele weitere Frauen wäre es also eher verletzend, wenn Außenstehende einen alternativen Begriff verwenden würden.
Am besten – wie in vielen Situationen – ist eine offene Kommunikation, wenn man verunsichert ist und seinem Gegenüber emphatisch begegnen möchte. Trifft man auf eine Person, die diese Geburtsform erlebt hat, kann man sie direkt fragen, welchen Begriff sie bevorzugt und andersherum als betroffene Person auch aktiv sagen, ob man lieber „Kaiserschnitt“ oder „Bauchgeburt“ hören möchte.
Wir haben uns entschieden, in redaktionellen Beiträgen künftig beide Begriffe aufzunehmen.
Wie denkst du darüber? Verrate es uns in den Kommentaren.
Rebecca Sommer
Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 36-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.