Wackelzahnpubertät? So begleitest du dein Kind durch diese Phase

Wackelzahnpubertaet
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Im Alter zwischen fünf und sieben Jahren kommen die meisten Kinder in die sogenannten Wackelzahlpubertät. Wie Eltern sie durch diese aufregende Phase begleiten können…

Wackeln die Zähne, wackelt die Seele, heißt es. Und die meisten Eltern beobachten genau das bei ihrem Kind. Im Alter in dem die ersten Milchzähne ausfallen – je nach Entwicklungstempo mit fünf bis sieben Jahren – verhalten sich viele Kinder ähnlich wie Teenager in der richtigen Pubertät. Ihre Stimmung ist mitunter starken Schwankungen unterworfen.

Typische Anzeichen für die Wackelzahnpubertät

So sind sie beispielsweise sehr empfindlich und sensibel, weinen wegen vermeintlichen Kleinigkeiten oder flippen wegen eben diesen komplett aus. Aggressives Verhalten, rebellischer Aktionismus und tiefe Traurigkeit sind typisch für die Wackelzahnpubertät, die manchmal auch Zahnlückenpubertät, kleine Pubertät oder 6-Jahreskrise genannt wird. Von jedem Kind wird diese Phase unterschiedlich intensiv wahrgenommen und durchlebt. Wie bei der späteren Pubertät auch, rutschen manche Kinder einfach so hindurch, während andere das gesamte Familienleben auf den Kopf stellen. Anders als die spätere Pubertät ist die Wackelzahnpubertät aber nicht hormonell gesteuert.

Hochphase um die Einschulung herum

Die Hochphase der Wackelzahnpubertät erleben die meisten Kinder kurz nachdem sie einen sichtbaren Wachstumsschub hinter sich haben – oft um das siebte Lebensjahr herum. In dieser Zeit verspüren die meisten von ihnen einen verstärkten Bewegungsdrang, was leider nicht zu dem passt, was nun bevorsteht: Die Einschulung. In der Schule sollen die Kinder schließlich möglichst brav am Platz sitzen und sich nur in den Pausenzeiten austoben. Dieser Widerspruch kann für Kinder nun zur echten Herausforderung werden, die von Erwachsenen oft unterschätzt wird. Der Schuleintritt an sich ist ebenso eine große Veränderung im Leben, die zu weiteren Unsicherheiten und dadurch ausgelösten Verhaltensauffälligkeiten führen kann. Auch wenn uns unsere Kinder nun schon sehr reif erscheinen und wir manchmal den Eindruck haben, kleinen Erwachsenen gegenüber zu sitzen, können sie ihre Gefühle in diesem Alter oft nur schwer in Worte fassen und drücken diese deshalb auf andere Weise aus.

Beispielsweise so:

  • Sie sind plötzlich wieder sehr anhänglich, wollen ständig in der Nähe eines Elternteils sein und suchen wieder häufiger körperliche Nähe.
  • Sie wirken scheinbar grundlos gereizt oder launisch.
  • Sie haben Wutausbrüche und verhalten sich ungewohnt aggressiv.
  • Sie wirken traurig und bedrückt, ziehen sich vermehrt zurück.
  • Sie üben sich in Autonomie und wollen nun häufiger eigene Entscheidungen treffen.

Diese Verhaltensweisen können sich scheinbar plötzlich und sprunghaft abwechseln. Kinder in dieser Phase realisieren, dass sie nicht mehr richtig klein, aber noch nicht richtig groß sind. Der Anspruch von außen an sie, nun vernünftiger und selbstständiger zu sein, Verantwortung zu übernehmen und gewisse Leistungen abzurufen, kann sie überfordern. Dann wünschen sie sich ins Kleinkindalter zurück und wollen auf Mamas oder Papas Schoß sitzen oder brauchen wieder Einschlafbegleitung, obwohl es zuvor bereits ohne geklappt hat. Im nächsten Moment betrachten sie die neue Selbstständigkeit als Chance und wollen – mit dem Kopf durch die Wand – ihre eigenen Entscheidungen durchsetzen. Gelingt das nicht, ist der Frust meist groß. Und diesen lassen sie eventuell ungefiltert heraus. Dass sie dies vor allem zu Hause tun, dürfen Eltern als positives Zeichen werten. Denn ihr Inneres nach außen kehren Kinder vor allem dort, wo sie sich geborgen und beschützt fühlen. Deshalb ist häufig auch zu beobachten, dass sich Kinder bei dem Elternteil, zu dem sie eine intensivere Bindung haben „schlechter benehmen“. Das ist kein Anzeichen für ein Versagen in der Erziehung, wie viele denken.

Was dein Kind nun braucht

Vielleicht hat dich die Wackelzahnpubertät deines Kindes eiskalt erwischt. Du hast gedacht, dass nach der Kleinkindzeit und vor der richtigen Pubertät erst einmal einige Jahre der Ruhe herrschen. Vielen Eltern geht es so. Und deshalb konzentrieren sich einige nun vermehrt auf sich selbst, planen beispielsweise ihren beruflichen Wiedereinstieg oder die Umstellung von Teil- auf Vollzeit. Die Vorstellung, ihre Kinder seien nun „groß“ und weniger auf sie angewiesen, müssen die meisten Eltern mit Beginn der Wackelzahnpubertät aufgeben. Kinder in dieser Phase fordern neben viel Liebe und Verständnis auch eine große Portion Geduld und eher mehr als weniger Aufmerksamkeit.

Viele Veränderungen auf einmal

Ihr Gefühlschaos ist für die Kinder selbst in der Regel eine viel größere Belastung, als für ihr Umfeld – auch wenn das ohne Frage ebenfalls darunter leiden kann. Eltern sollten sich vor Augen führen, was da gerade eigentlich los ist mit ihrem Kind. Zum einen sind da die körperlichen Veränderungen: Es ist ein ganzes Stück gewachsen und auch im Hirn sind viele neue Verknüpfungen entstanden. Dann sind da die äußeren Veränderungen. Entweder gehört es nun im Kindergarten zu den „Großen“ und muss sich von Freund:innen verabschieden, die eingeschult werden oder es wird selbst bereits eingeschult, gehört in der Schule nun zu den „Kleinen“, alles um es herum ist neu und auch viele Tagesabläufe verändern sich. Vielleicht muss es auch den Schulweg eigenständig bewältigen oder sich zumindest innerhalb der Schule orientieren und zurechtfinden. Freundschaften, die im Kindergarten noch eng waren, können sich nun verflüchtigen, neue Freundschaften werden geknüpft und oft direkt wieder auf die Probe gestellt. Da ist eine ganze Menge los, in diesem Alter. Aus vermeintlichen Kleinigkeiten werden Dramen und sie fühlen sich für die Kinder auch genau so an. Eltern sollten die Sorgen ihrer Kinder immer ernst nehmen und nicht als „Kindergartenkram“ abtun. Kinder, die sich ernst genommen fühlen, sind eher bereit, sich zu öffnen und zu kooperieren.

Auch Wut braucht einen Raum

Wut ist bei Kindern in der Wackelzahnpubertät häufig ein Zeichen für große Unsicherheit und kann ihnen dazu dienen, andere Gefühle zu überspielen, wenn sie gerade nicht bereit sind, diese zuzulassen oder nicht wissen, wie sie damit umgehen können. Einem wütenden oder gar aggressiven Kind sollte man stets mit Fingerspitzengefühl begegnen und ihm helfen, seine Wut zu kanalisieren. Ihm mit Wut zu entgegen, führt nicht in die richtige Richtung. Natürlich gilt es zunächst, das Kind davor zu schützen, dass es sich oder andere verletzt. Besteht diese Gefahr nicht (mehr), sollte man versuchen, herauszufinden, was dem Kind nun hilft. Vielleicht braucht es eine liebevolle Umarmung, vielleicht etwas Abstand. Vielleicht möchte es eine Kissenschlacht machen und die Wut heraus toben. In jedem Fall sollte man dem Kind nun Gehör schenken. Wenn man gerade selbst zu gestresst ist, um besonnen zu reagieren – und auch das ist menschlich – sollte man selbst kurz vor die Tür gehen und erst einmal tief durchatmen.

Nicht nachtragend sein

Ein Kind für einen Gefühlsausbruch oder eine schnippische Bemerkung anzubrüllen, es mit Liebesentzug oder beispielsweise Fernsehverbot zu bestrafen, ist nie die richtige Lösung. Manchmal fällt es schwer, nach einer Auseinandersetzung wieder liebevoll zueinander zu finden – aber genau das braucht das Kind. Den meisten Kindern ist es hinterher sogar peinlich, sie wissen gar nicht mehr so recht, was zu dieser Situation geführt hat und empfinden Reue. Eltern sollten mit ihren Kindern in einer ruhigen Minute über das Geschehene sprechen und auch von den eigenen Gefühlen erzählen. Das Kind darf ruhig wissen, dass es mit seinem Verhalten andere Menschen verletzt oder stresst. Doch es soll gleichzeitig wissen, dass man es trotzdem noch genauso lieb hat wie früher und das man ihm gern helfen will. Ein verständnisvolles Gespräch auf Augenhöhe schließt übrigens nicht aus, dass Kinder Grenzen brauchen und sich an gewisse Regeln halten müssen.

Strukturen, Rituale und Ausgleiche schaffen

Die Phase der Wackelzahnpubertät, in der sich so vieles verändert, kann auch eine Möglichkeit sein, sich als Familie neu zu sortieren, Strukturen und Rituale zu hinterfragen und neue einzuführen. Außerdem brauchen Kinder in dieser Zeit Ausgleiche. Welcher Art diese sind – ob das Kind am Nachmittag eher viel Bewegung oder einen ruhigen Rückzugsort braucht, muss im Einzelfall betrachtet werden. Gerade Kinder, die kürzlich eingeschult worden sind, gehen damit unterschiedlich um. Manche sind von den vielen neuen Reizen am Vormittag „erschlagen“ und wollen am Nachmittag lieber kuscheln, lesen oder ein Hörspiel hören, während andere durch den Bewegungsmangel nach Schulschluss völlig überdreht sind und sich eine Runde im Wald oder auf dem Spielplatz austoben wollen. Kinder können in die Entscheidungsfindung in diesem Alter bereits mit einbezogen werden und halten gemeinsam formulierte Absprachen auch eher bereitwillig ein. Wer mehrere Kinder hat, sollte nicht versäumen, feste „Quality Time“ für das Wackelzahnkind einzuplanen, das in dieser Phase auch mal Mama oder Papa für sich allein haben sollte. Feste Aufsteh-, Essens- und Schlafenszeiten und Rituale, die den Tagen zusätzliche Struktur geben, können eine sehr wertvolle Hilfe für alle Familienmitglieder sein.

So kann die Natur nun helfen

Wie in so vielen Lebensphasen, kann auch in der Wackelzahnpubertät die Natur eine wertvolle Unterstützung für Familien sein. Eltern können alleine oder zu zweit Zeit in der Natur verbringen und ihre Kraftreserven so wieder aufladen. Bereits ein fünfzehnminütiger Spaziergang durch den Wald kann messbar positive Auswirkungen auf Körper und Geist haben. Die Stresshormone im Blut werden weniger, die Glückshormone gleichzeitig mehr. Puls und Brutdruck sinken und einmal richtig tief durchzuatmen kann Wunder wirken. Auch sportliche Aktivitäten wie Nordic Walking, Joggen oder Radfahren können für Eltern ein guter Ausgleich zum oft stressigen Familienalltag sein. Wer in der Stadt lebt, kann in einem größeren Park oder am Ufer eines Flusses Naturverbindungen knüpfen und Energie tanken.

Für Kinder ist die Natur ein großer Abenteuerspielplatz und kann am Nachmittag einen Ausgleich schaffen. Lernen Kinder schon früh, die Natur als Ort für Stressabbau zu nutzen, wird es ihnen später wahrscheinlich leichter fallen. Wie wäre es beispielsweise mit einem gemeinsamen Waldbad? Wie das mit (unruhigen) Kindern gelingen kann, erklären wir im Beitrag „Waldbaden mit Kind: So heilsam kann die Kraft der Bäume sein“.

So wichtig ist ausgewogene Ernährung

Für die ganze Familie bietet die Natur zudem rund ums Jahr gesunde Lebensmittel, die vor allem in den Wachstumsphasen von Kindern, aber auch darüber hinaus für das Wohlbefinden wichtig sind. In Stressphasen neigen viele Menschen dazu, häufiger zu naschen und neben Süßigkeiten übermäßig viel Fastfood zu konsumieren. Doch genau solche stark verarbeiteten Lebensmittel und zu viel Zucker können den Stresspegel steigen lassen. Kinder im Alter der Wackelzahnpubertät sind meist neugierig und stellen viele Fragen. Um ihnen zu zeigen, woher Lebensmittel kommen und die Lust auf gesundes Essen zu wecken, können beispielsweise der Besuch eines Bauernhofs oder Selbstertefeldes interessant sein. Vielleicht besteht auch die Möglichkeit, im eigenen Garten ein kleines Beet für Gemüse anzulegen.

Rebecca Sommer Journalistin Autorin Naturkind
Rebecca Sommer

Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 35-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.