Babys kommen heute mit den gleichen Reflexen und Instinkten auf die Welt, wie schon vor Millionen Jahren. Auch ihre Grundbedürfnisse haben sich seitdem nicht verändert – eines davon ist regelmäßiger, enger Körperkontakt.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war es für Menschen selbstverständlich, Babys zu tragen. Dann wurde der Kinderwagen erfunden, in den kommenden Jahrzehnten immer weiter optimiert und mit steigender Nachfrage bald für jede Familie bezahlbar. Bis heute steht der Kinderwagen wie selbstverständlich auf Erstausstattungslisten. Seltener findet man darauf die Tragehilfe als praktische und artgerechtere Anschaffung.
Menschen sind Traglinge
Aus biologischer Sicht sind Menschen Traglinge. In der Tierwelt wird diese Gruppe in Aktive und Passive unterteilt. Während sich die aktiven Traglinge, zu denen die meisten Primaten zählen, selbst am Fell ihrer Mütter festklammern können, sitzen passive Traglinge, wie Kängurus, in einem Beutel. Manche Tiere, wie der Koala, werden als passive Traglinge geboren und später zu aktiven Traglingen. Der Mensch stellt unter den aktiven Traglingen eine Ausnahme dar, weil er getragen werden muss wie ein passiver Tragling.
Zwar wird er mit Greif- und Klammerreflexen geboren, doch seine Kraft würde nicht ausreichen, um sein eigenes Körpergewicht über einen längeren Zeitraum zu halten. Zudem hat seine Mutter kein Fell mehr, an dem er sich festklammern könnte. In den ersten Monaten ist er somit darauf angewiesen, von einer erwachsenen Person getragen zu werden. Instinktiv geht er davon aus, dass er in Lebensgefahr wäre, würde man ihn ablegen. Dass er in unserer modernen Welt in den meisten Situationen sicher ist, versteht der kleine Mensch noch nicht. Und so wird er häufig unruhig und ängstlich, wenn er allein in seinem Bettchen oder unterwegs im Kinderwagen liegt.
Die Vorteile von Tragehilfen
Freilich könnte man ein Baby auch einfach auf dem Arm tragen. Doch das wäre im Alltag oft nicht praktikabel. Eine Tragehilfe ermöglicht es, während des Tragens die Hände für andere Tätigkeiten freizuhaben. Ist sie ergonomisch eingestellt, kann die Körperhaltung der tragenden Person im Vergleich zum Tragen ohne Tragehilfe verbessert werden. Durch Fehlhaltung verursachte Rücken- und Kopfschmerzen lassen sich so vermeiden. Eine Tragehilfe ermöglicht zudem eine große Flexibilität. Typische Hürden des Alltags die mit einem Kinderwagen oft herausfordernd sind – etwa unwegsames Gelände, Treppen, hohe Bordsteinkanten oder der Einstieg in Bus und Bahn sind damit leichter zu überwinden. Auch in engen Supermarktgängen oder kleinen Cafés ist man mit einer Tragehilfe problemloser unterwegs, als mit einem sperrigen Kinderwagen. Im Vergleich zu diesem sind außerdem die Anschaffungskosten meist wesentlich geringer und ebenso der Platzbedarf – nicht nur unterwegs, auch zu Hause.
Getragene Babys oft entspannter
Babys profitieren durch das regelmäßige Tragen auf unterschiedliche Weise. Gerade in den ersten Lebenswochen gibt es Ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Vieles kommt ihnen aus den Monaten im Mutterleib vertraut vor – die Enge, der Herzschlag, das Schaukeln. All das und darüber hinaus der Hautkontakt und Geruch wirken beruhigend und so sind getragene Babys oft entspannter und schreien seltener als jene, die häufig abgelegt werden. Babys die regelmäßig getragen werden haben zudem wesentlich seltener zu lagerungsbedingten Kopfverformungen wie einem Plattkopf. Bei Babys, die mit einer unreifen Hüfte geboren werden, kann die richtige Tragetechnik einen medizinischen Nutzen haben und verhindern, dass eine Spreizhose zur Therapie benötigt wird.
Größere Kinder, die bereits neugierig auf ihre Umgebung aber selbst noch nicht mobil sind, können durch das Tragen mitten im Geschehen sein. Dass sie dadurch faul werden und später laufen lernen ist ein Ammenmärchen. Im Gegenteil beobachtet man sogar oft, dass getragene Kinder ihren Gleichgewichtssinn durch die Bewegung automatisch trainieren und so früher und sicherer laufen. Da für kleine Kinder längere Wegstrecken anstrengend sein können, kann die Tragehilfe noch über Jahre hinweg eine nützliche Begleiterin auf Spaziergängen und Wanderungen sein.
Darauf kommt es beim Kauf einer Tragehilfe an
Tragehilfen gibt es diverse auf dem Markt. Hier eine Entscheidung zu fällen ist für Laien gar nicht so einfach. Viele Eltern sind versucht, nach Optik zu gehen oder zu einer Marke zu greifen, die gerade im Trend liegt. Das Modell, das am besten gefällt und ins Budget passt, wird dann häufig direkt im Internet bestellt. Zwar kann man Glück haben und dieses passt zufällig, doch das Risiko ist gegeben, dass man mit der Wahl nach dem Kauf unzufrieden ist. Viele Eltern geben das Tragen schnell wieder auf, weil sie Probleme mit der Tragehilfe haben und diese entweder selbst als unbequem empfinden oder den Eindruck haben, dass sich ihr Baby darin nicht wohlfühlt. Ohne die Beratung durch eine:n Expert:in ist es schwierig, die Tragehilfe korrekt einzustellen und so einen ergonomischen Sitz sicherzustellen.
Bei der Wahl sollten einige individuelle Faktoren berücksichtigt werden. Dazu gehören etwa die Statur der tragenden Person und deren körperliche Konstitution. Sollten Rückenbeschwerden bestehen, sind diese ebenfalls bedacht und eventuell zunächst medizinisch abgeklärt werden.
Am besten lässt man sich in einem Fachgeschäft vor Ort verschiedene Modelle vorführen und probiert diese vor dem Kauf aus. Vielerorts gibt es speziell ausgebildete Trageberater:innen, die zunächst eine Menge Fragen stellen und dann eine geeignete Auswahl an Tragehilfen aufzeigen. Je nach Angebot kann man diese sogar für einige Tagen oder Wochen ausleihen und ausgiebig testen. Sollte sich nach dem Kauf beim Tragen herausstellen, dass man sich doch für ein unpassendes Modell entschieden hat, lohnt sich ein Wechsel. Es gibt für jede Statur und nahezu jedes Bedürfnis eine passende Tragehilfe.
Rebecca Sommer
Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 36-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.