Draußen ist es kalt, ungemütlich und früh dunkel. Im Winter zieht es selbst outdoorbegeisterte Naturkinder nach drinnen vor den Bildschirm. Was Eltern dabei beachten sollten
Glotzen, zocken, chatten – digitale Medien üben auf Kinder und Jugendliche eine gewisse Faszination aus. Bildschirmzeiten sind nicht per se schlecht für die Entwicklung von Heranwachsenden. Dennoch sollten sich Eltern mit diesem Thema frühstmöglich auseinandersetzen, um ihre Kinder unterstützen und vor möglichen Gefahren schützen zu können.
Über Medienkonsum reden
Eine offene Kommunikation über Medien, die Chancen und Risiken und den richtigen Umgang damit, ist wichtig. Aussagen wie: „Von zu viel Fernsehen bekommst du viereckige Augen“, sind nicht zielführend. Kinder können schon früh die wirklichen Gründe lernen, aus denen ihre Bildschirmzeit limitiert wird. ___STEADY_PAYWALL___
Wird das Kind größer und bekommt es Zugang zum Internet, sollten Eltern auch die damit verbundenen Gefahren erklären. Kinder sollten die Konsequenzen kennen, die ihr Handeln haben kann. Was kann passieren, wenn ich mich im Klassenchat über ein anderes Kind lustig mache? Wer kann mir helfen, wenn es andersherum mir passiert? Wo können Fotos und Videos landen, die ich mit anderen teile? Welche Kommentare in sozialen Medien können juristische Folgen haben usw. Das Internet ist ein Ort, an dem Kinder viel lernen können, der inspirierend sein kann und einen großen Unterhaltungswert bietet. Doch hier lauern auch Gefahren, die Kindern und Jugendlichen nicht immer bewusst sind. Das Gleiche gilt für andere Medien, wie das Fernsehen, Streamingdienste oder Videospiele.
GUT ZU WISSEN
Die Altersfreigaben von Filmen und Serien (gekennzeichnet mit FSK) sind keine pädagogischen Empfehlungen. Eltern sollten die Inhalte selbst prüfen und entscheiden, ob ihr Kind diese sehen soll.
Vorbild sein
Kleinere Kinder lernen vor allem durch Nachahmung. Sie beobachten ihr Umfeld ganz genau – auch beim Thema Mediennutzung und Bildschirmzeit. Eltern, die ständig an ihrem Smartphone hängen oder den Fernseher den halben Tag als Grundrauschen nebenher laufen lassen, dürfen sich nicht wundern, wenn ihre Kinder digitale Medien für essenziell halten und ebenso exzessiv in ihren Alltag einbinden wollen. Der erhobene Zeigefinger wirkt in diesem Fall wenig authentisch. Es ist also ratsam, im ersten Schritt das eigene Nutzungsverhalten digitaler Medien genauer anzusehen und eventuell anzupassen. Das bedeutet nicht, dass Mama nicht durch Social Media scrollen darf, während sich ihr Kind auf dem Spielplatz vergnügt und auch nicht, dass Papa seine Nachrichten am Frühstückstisch nicht am Tablet lesen darf. Wie so oft macht die Dosis das Gift. Fragen, die sich Eltern selbst stellen können: Muss es in diesem Moment ein Bildschirm sein oder gibt es eine Alternative? Ein Beispiel ist der Einkaufszettel für den Wocheneinkauf im Supermarkt. Muss er als Notiz im Smartphone stehen oder tut es nicht ebenso eine handschriftliche Liste auf einem Zettel? Eine schöne Idee ist auch ein medienfreier Tag in der Woche oder ein gemeinsames Medienfasten. Das kann Familien helfen, andere Interessen nicht aus den Augen zu verlieren.
Informiert bleiben
Die Bildschirmzeit wird in der Regel mit steigendem Alter des Kindes ausgeweitet, bis es als Jugendlicher selbst darüber bestimmen darf. Mit den Jahren ändert sich das Nutzungsverhalten. Während kleinere Kinder mit einer Serie zufrieden sind, die von den Eltern ausgewählt und angeschaltet wird, wollen größere Kinder durchs Internet surfen und soziale Netzwerke erkunden oder Videospiele spielen. Eltern sollten immer informiert bleiben und sich mit den einzelnen Angeboten, die ihr Kind konsumieren will und mit aktuellen Trends, auseinandersetzen. Welche Apps und Games sind ab welchem Alter geeignet und was kann das Kind damit machen? Viele Eltern sind beispielsweise überrascht, wenn sie erfahren, dass ihr Kind in einem zunächst harmlos wirkenden Spiel eine Chatfunktion nutzen und mit völlig fremden Menschen kommunizieren kann. Nicht alle von ihnen führen Gutes im Schilde. Auch beim Thema In-App-Käufe werden manche Familien mit der Realität konfrontiert, wenn es bereits zu spät ist und eine hohe Rechnung aufläuft.
Wer sich selbst nicht sicher fühlt im Umgang mit digitalen Medien, sollte sich nicht davor zurückschrecken, einen Vortrag oder eine Fortbildung zu diesem Thema zu besuchen. Oft gibt es solche Angebote an Schulen, Volkshochschulen oder in Beratungsstellen. Auch im Internet können sich Eltern informieren, etwa auf Plattformen wie klicksafe.de, schau-hin.info oder digitale-helden.de.
HILFE BEI (DROHENDER) MEDIENSUCHT
Haben Eltern den Verdacht, es könnte bereits eine Mediensucht bei ihrem Kind bestehen oder eine solche drohen, sollten sie sich professionelle Hilfe suchen. Eine erste Anlaufstelle kann eine Sucht- oder Erziehungsberatungsstelle vor Ort sein. Eine Beratung dort ist in der Regel kostenfrei.
Alternativen anbieten
Viele Kinder neigen dazu, bei Langeweile nach Bildschirmzeit zu fragen. Sie verlernen, Langeweile auch mal auszuhalten – was aus pädagogischer Sicht durchaus sinnvoll sein kann – und es mangelt ihnen an Alternativen. Eltern können ihre Kinder darin unterstützen, Alternativen für ihre Freizeitgestaltung zu finden, sich Hobbys zu suchen oder mit Freunden im realen Leben zu verabreden.
Für manche Eltern sind Smartphone, Tablet und Co. eine willkommene Ablenkung, um ihr Kind in Situationen abzulenken, in denen es sich möglichst ruhig verhalten soll – beispielsweise im Restaurant. Es ist verständlich, dass Eltern keine negative Aufmerksamkeit auf sich ziehen wollen und dankbar über eine kleine Auszeit sind. Doch auch in solchen Momenten gibt es bildschirmfreie Hilfsmittel, die von den meisten Kindern gern angenommen werden, etwa ein Malbuch oder Stickerheft, ein Mini-Puzzle, Reisespiel oder Knobelaufgaben.
Feste Bildschirmzeiten vereinbaren
Klare Regeln rund um die Bildschirmnutzung können im Alltag hilfreich sein und Konflikte verhindern. Diese Regeln können von Anfang an aufgestellt und im Laufe der Jahre angepasst werden. Für kleinere Kindern können diese Regeln visuell dargestellt werden – beispielsweise mit einer selbstgebastelten Uhr, auf der ein bestimmter Zeitraum als Bildschirmzeit gekennzeichnet ist. Mit größeren Kindern können Eltern einen Mediennutzungsvertrag abschließen. Das ist ein Dokument, in dem die Zeiten genau festgelegt sind und der von beiden Parteien unterschrieben wird. Vorlagen hierfür gibt es kostenfrei im Internet. Auch die medienfreien Zeiten sollten klar definiert werden. Ein Klassiker: Während der Mahlzeiten bleiben die Bildschirme aus. Manchen Familien hilft es, ein Körbchen auf den Tisch zu stellen in das alle Familienmitglieder vor dem Essen ihre Smartphones legen. So kommt niemand in Versuchung, „nur mal eben schnell“ etwas nachzuschauen.
Rebecca Sommer
Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 36-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.