Wer sich mit verschiedenen Erziehungskonzepten befasst, wird schnell über den Begriff „Attachment Parenting“ (AP) stolpern, der zu Deutsch so viel bedeutet, wie „bedürfnisorientierte Erziehung“. Die Prinzipien, auf denen das AP-Konzept aufbaut, nennt man „Baby-Bs“ – was es damit auf sich hat, erfährst du in diesem Beitrag.
Das AP-Konzept berücksichtig die ersten drei Lebensjahre eines Kindes und wurde in den 1980er Jahren vom amerikanischen Kinderarzt William Sears entwickelt. Bis heute begleiten zahlreiche Eltern auf der ganzen Welt ihre Kinder nach den AP-Prinzipien und berücksichtigen die sieben sogenannten „Baby-Bs“, die Sears ausgearbeitet hat.
Die 7 Baby-Bs
Sears hat in seinem Attachment Parenting Konzept sieben Prinzipien ausgearbeitet, die in der englischen Sprache alle mit dem Buchstaben B beginnen und deshalb zusammengefasst „Baby-Bs“ genannt werden. In der deutschen Übersetzung trifft das zwar nicht auf alle Prinzipien zu, dennoch spricht man auch hier landläufig von den „Baby-Bs“.
Die 7 Baby-Bs sind als einzelne Bausteine zu verstehen. Jede Familie sollte individuell entscheiden, welche davon sie in ihrem Alltag umsetzen kann und will.
Ziel des AP-Konzepts ist es, ein Kind von Geburt an möglichst „artgerecht“ zu begleiten, die natürlichen Grundbedürfnisse zu erkennen und schnell zu erfüllen. Obwohl sich unsere Welt seit vielen Jahrzehnten im Wandel befindet, immer schneller und digitaler wird, sind unsere Kinder nach der Geburt auf dem gleichen Entwicklungsstand, wie Steinzeitbabys. Die Reflexe, Ängste und Bedürfnisse sind noch immer die gleichen, wie vor Jahrmillionen von Jahren. Dieses Wissen wird im AP-Konzept berücksichtigt.
- Bonding (Körperkontakt nach Geburt)
- Breastfeeding (Stillen)
- Babywearing (Tragen)
- Bed Sharing (Nähe beim Schlafen)
- Belief in your baby’s cry (Beachtung der Babyschreie)
- Beware of baby trainers (Vorsicht bei Schlaftraining)
- Balance (Bedürfnisse von Eltern und Kind balancieren)
#1: Bonding
(Körperkontakt nach Geburt)
Das erste „Baby B“ bezieht sich auf den Zeitpunkt direkt nach der Geburt. Wenn möglich, sollte das Neugeborene nun Haut- und Blickkontakt erfahren und gestillt werden. Die meisten Kliniken bieten Bonding inzwischen aus Überzeugung an und nehmen das Neugeborene nur bei medizinischer Notwendigkeit direkt für Untersuchungen oder Versorgungen von der Mutter weg. Im Geburtshaus oder bei einer Hausgeburt wird das Bonding ebenfalls von den meisten Hebammen aktiv unterstützt.
#2: Breastfeeding
(Stillen)
Muttermilch ist in der Regel die gesündeste Nahrungsquelle für einen Säugling. Sears empfiehlt das Stillen nicht nur deshalb – auch für die Bindung zwischen Mutter und Kind sei es wichtig.
#3: Babywearing
(Tragen)
Körperkontakt spielt beim Attachment Parenting eine zentrale Rolle. In den ersten Monaten oder Jahren nach der Geburt soll ein Baby möglichst viel Körperkontakt zu seinen Bezugspersonen bekommen. Sears empfiehlt deshalb das Tragen anstelle eines Kinderwagens. Während das Kind in einer Tragehilfe sitzt, haben seine Bezugspersonen beide Hände frei – etwa um den Haushalt zu erledigen. Auch bei Spaziergängen sollten Kinder nach dem AP-Konzept getragen werden, solange sie noch nicht selbstständig gehen können.
#4: Bed Sharing
(Nähe beim Schlafen)
Nach dem Attachment Parenting Konzept sollten Babys im Familienbett oder einem Beistellbett neben dem Elternbett schlafen. Von einem eigenen Bett im eigenen Zimmer rät Sears ab. Seiner Auffassung nach sei die Nähe zu den Bezugspersonen für ein Baby auch im Schlaf wichtig – unter anderem um Verlustängste zu vermeiden.
#5: Belief in your baby’s cry
(Beachtung der Babyschreie)
Babys und Kleinkinder weinen aus unterschiedlichen Gründen: Hunger, Durst, Müdigkeit, Schmerzen, Verunsicherung, Hitze, Kälte und Langeweile sind nur einige mögliche. AP-Eltern lernen, das Weinen ihres Kindes zu unterscheiden, richtig zu interpretieren und gehen auf die Bedürfnisse ein.
#6: Beware of baby trainers
(Vorsicht bei Schlaftraining)
Schlaflose Nächte können zermürbend sein. Es ist daher wenig verwunderlich, dass viele Eltern darauf hinarbeiten, ihre Kinder möglichst früh zum Durchschlafen zu bringen. Doch jedes Kind entwickelt sich in seinem eigenen Tempo und das gilt auch für das Schlafenlernen. Attachment Parenting lehnt Schlaftrainings strikt ab.
#7: Balance
(Bedürfnisse von Eltern und Kind balancieren)
Die Balance zwischen den Bedürfnissen des Babys und seiner Bezugspersonen sollte ausgeglichen sein. Bedeutet: Du solltest selbst nicht auf der Strecke bleiben. Wer sein Kind nach den Grundsätzen des AP begleitet und dieses wichtige „Baby-B“ ignoriert, kann schnell an seine Grenzen stoßen, überfordert und ausgelaugt sein.
Rebecca Sommer
Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 36-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.