Kleidung aus Holz? Das ist und kann Tencel

Was ist Tencel?
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Das klingt fast unglaublich – Kleidung aus Holz. Ist das denn machbar? So viel sei schon einmal vorab gesagt: ja, das gibt es wirklich! Und es ist viel bequemer als du jetzt vielleicht denkst. Das Material Lyocell macht es möglich! Es wird unter anderem von der österreichischen Firma Lenzing AG unter dem Markennamen Tencel produziert und verkauft.

Lyocell gilt aktuell als eine der umweltfreundlichsten Fasern überhaupt. Deshalb findest du den Stoff meist bei Labels, die Wert auf Nachhaltigkeit legen. Aber auch auf den Laufstegen der Welt sieht man das Material immer öfter. Denn es hat neben der Nachhaltigkeit noch einige andere Vorteile zu bieten! Was es mit dem Stoff wirklich auf sich hat, erfährst du in diesem Beitrag.

Wie fühlt sich Stoff aus Holz an?

Auch wenn das Ausgangsmaterial Holz ist, erinnert beim fertigen Stoff nichts mehr daran. Tatsächlich ist Tencel unglaublich weich und glatt. Nichtsdestotrotz ist es vielseitig einsetzbar und macht damit den gängigen Materialien auf dem Markt ernste Konkurrenz. Du kannst dir ein Shirt aus Lyocell ein bisschen vorstellen wie ein seidiges Baumwollshirt – nur besser! Dazu aber später mehr.

Der Ursprung: Holz als Rohmaterial

Tencel wird großteils aus asiatischem Eukalyptusholz hergestellt. Die Lenzing AG bezieht es aus naturnahen Wäldern und nachhaltig bewirtschafteten Plantagen. Das Besondere am Eukalyptus ist, dass der Baum verhältnismäßig schnell wächst. Bis zu 30 Meter schießt er innerhalb von zehn Jahren in die Höhe. Dafür braucht die Pflanze keine künstliche Bewässerung oder Dünger. Eukalyptus kann auf Böden wachsen, die sich nicht für das Anbauen von Nahrungsmitteln eignen oder sich kaum noch bewirtschaften lassen. Es werden somit keine Ackerflächen verwendet, die dringend für die Nahrungsmittelproduktion gebraucht werden. Außerdem kommt Eukalyptus ganz ohne giftige Spritzmittel und Genmanipulationen aus – ein großes Plus für die Natur. ??Wenn man sich Baumwolle im Vergleich anschaut, werden die Vorteile von Tencel schnell klar. Beim Anbau von Baumwolle setzen Baumwollbauern viele Pestizide ein, die der Natur und den Menschen Schaden zufügen. Die Ackerfläche, die für Baumwollplantagen verwendet wird, könnte auch zum Anbau von Lebensmitteln und damit sinnvoller genutzt werden. Zudem ist die Naturfaser ein echter Wasserverschwender. Beim Anbau von Baumwolle wird 20 mal mehr Wasser verbraucht als man für den Anbau des Eukalyptus braucht.

Innovation trifft Nachhaltigkeit

Nicht nur der nachwachsende Rohstoff Holz ist für die Nachhaltigkeit von Tencel verantwortlich. Auch das Herstellungsverfahren trägt dazu bei. Vereinfacht erklärt läuft es in etwa so ab: Das geerntete Holz wird als erstes zu kleinen Schnipseln verarbeitet. Diese Schnipsel werden dann im Wasser aufgeweicht und aufgekocht. Durch das Hinzugeben eines Lösungsmittels wird der Zellstoff (Zellulose) aus dem Holz gelöst. Es entsteht eine zähe Masse – die sogenannte Spinnlösung. Diese wird gefiltert und danach durch feine Spinndüsen gedrückt. So entstehen die Lyocellfäden. Zum Schluss wird das Lösungsmittel aus den Fasern gewaschen. Diese müssen dann nur noch getrocknet und aufgewickelt werden.

Ausgezeichnet von der Europäischen Union

Nun kommt das Besondere daran: Nach der Herstellung schließt sich der Kreislauf wieder! Laut eigenen Angaben gewinnt die Lenzing AG bei dem Prozess über 99% des Lösungsmittels zurück und kann es anschließend wiederverwenden. Der kleine Rest wird als Abwasser in die Kläranlage geleitet, wo es aber kein Problem darstellt. Das Lösungsmittel hat zwar einen ziemlich chemisch klingenden Namen (NMO = N-Methylmorpholin-N-oxid), ist aber unbedenklich für die Umwelt und biologisch abbaubar. Für den nachhaltigen Produktionsprozess von Tencel wurde der Lenzing AG im Jahr 2000 der „European Award for the Environment“ von der EU verliehen. Die Herstellung von Tencel ist übrigens ähnlich wie bei der Viskose. Diese wird auch aus Holz gewonnen. Allerdings braucht man für die Produktion giftige Chemikalien. Anders als bei Lyocell bleiben die Chemikalien in den Fasern und gelangen so auf die Haut und in die Umwelt. Tencel ist also eindeutig die bessere Wahl.

Tencel der Alleskönner

Das waren jetzt ganz schön viele Infos über die Herstellung von Tencel. Du weißt nun also, dass es um einiges umweltfreundlicher abschneidet als Baumwolle und andere Textilien. Doch wie sieht es mit den Trageeigenschaften aus?

Die wichtigste Eigenschaft von Tencel ist die Atmungsaktivität. Die glatten, seidigen Fasern nehmen Flüssigkeit 50 mal schneller auf als Baumwolle und geben diese rasch an die Umgebungsluft ab. Darum schwitzt man in Tencel kaum und falls doch, verschwinden die Schweißflecken schnell. Durch die geringe Feuchtigkeit im Stoff können sich nur wenige Bakterien bilden. Deshalb ist dieses Material auch hervorragend für Menschen mit empfindlicher Haut oder Allergien geeignet. Stoffe aus Tencel wärmen, wenn es kalt ist und kühlen in der Hitze. Auch diese Eigenschaft verdankt das Material dem schnellen Feuchtigkeitstransport. Weil Tencel aus Holz gewonnen wird, ist die Faser außerdem vegan und zu 100 % kompostierbar. Es ist robust, langlebig und pflegeleicht. Du kannst dich also lange Zeit an Kleidungsstücken aus Tencel erfreuen.

Ist Tencel der Stoff, aus dem die nachhaltige Modezukunft gemacht ist?

Bisher trifft man in der Modewelt eher selten auf Tencel. Wie kommt es, dass Lyocell nicht viel bekannter ist? Wie bei so vielem, gibt es auch hier den ein oder anderen Nachteil. Die Lenzing AG ist der größte Lyocell Hersteller. Das Unternehmen produziert nachhaltig, das hat aber auch seinen Preis. Für große Modehersteller ist Tencel schlicht und einfach zu teuer. Der Ruf nach Nachhaltigkeit in der Modeindustrie wird aber immer lauter. Darum steigt das Interesse und der Bedarf an Lyocell zunehmend. Das könnte allerdings unschöne Nebenwirkungen haben. Eukalyptus verbraucht beim Anbau zwar weniger Wasser als Baumwolle, kann aber in großen Monokulturen trotzdem beachtlichen Schaden anrichten. Der Wasserverbrauch der Bäume trocknet den Boden aus und senkt so den Grundwasserspiegel. Als Folge können Flüsse austrocknen und rund um die Plantagen steigt das Risiko für Waldbrände enorm. Um das zu verhindern, muss das Holz für die Herstellung auch weiterhin aus nachhaltigem Anbau kommen. Ansonsten ist der Umweltvorteil gegenüber anderen Materialien schnell verspielt. Es wäre aber durchaus möglich Tencel in größeren Mengen weiterhin umweltfreundlich zu produzieren. Der seidige Stoff könnte somit zukünftig tatsächlich eine echte Alternative zu anderen Materialien werden.

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