„Es gibt nichts Schlimmeres als ein aufgeräumtes Kinderzimmer“, Fotograf Ronny Schröder im Interview

© Ronny Schröder / Wilde Biester

Fotos auf denen Menschen authentisch und Situationen ungestellt wirken – das ist das Ziel von Fotografen wie Ronny Schröder, die sich auf dokumentarische Fotografie spezialisiert haben. Naturkind Ann-Sophie Bader hat mit ihm gesprochen und ihm ein paar gute Tipps entlockt…

Ronny Schröder hat sich nach drei Jahrzehnten in der Großstadt fürs Landleben entschieden. Seit einem Jahr lebt er nun mit seiner Frau, den beiden gemeinsamen Kindern, Hühnern, Schafen, Ziegen und Meerschweinchen auf einem alten Hof im Münsterland. Als Fotograf lichtet er Familien ab und schafft damit „reale Erinnerungen“, direkt aus ihrem Alltag. Dabei ist ihm die Natürlichkeit des Bildes am wichtigsten. Worauf Ronny bei der dokumentarischen Familienfotografie achtet und wie es auch Laien gelingen kann, authentische Momente mit der Kamera festzuhalten, erzählt er im Interview. 

NATURKIND: Du hast vor einem Jahr die Großstadt verlassen, um dich mit deiner Familie auf dem Land niederzulassen. Wie kam es dazu?

RONNY: Nachdem ich in Berlin aufgewachsen bin, habe ich acht Jahre lang in Düsseldorf gelebt. Die Stadt war cool, bis unsere Kinder auf die Welt kamen. Uns wurde auf einmal der Lärm, die vielen Straßen und die schlechte Luft bewusst. Irgendwann waren wir das erste Mal fünf Monate lang im Urlaub und auch danach immer mal wieder für einen Monat weg. Oft sind wir nur ins Sauerland gefahren. Dabei ist uns aufgefallen, dass wir die Natur sehr brauchen, damit es uns als Familie gut geht. Für meine Jungs war es ein Ausgleich für die viele Energie, die sie hatten. Daraufhin haben wir deutschlandweit nach Höfen zur Miete gesucht. Wir hatten Glück und haben dann unseren Hof im Münsterland gefunden, nur 15 Minuten von Münster entfernt.

Früher warst du im Marketing tätig, danach als Designer erfolgreich. Inzwischen hast du dich als Fotograf selbstständig gemacht und fotografierst ausschließlich dokumentarisch. Was genau ist die dokumentarische Fotografie? 

Bei der dokumentarischen Fotografie greife ich als Fotograf nicht ins Geschehen ein, ich füge nichts hinzu und verändere nichts. Ich schaffe reale Erinnerungen. Wichtig ist, die Familie, egal wie dreckig und chaotisch es bei ihnen zu Hause ist, zu fotografieren. Dabei begleite ich ihren Alltag. Ein Bild, auf dem die ganze Familie nur dasteht und in die Kamera lächelt, gibt es bei mir nicht. Denn es sagt nichts über die Familie aus. Das wichtigste bei der dokumentarischen Fotografie ist, den Kern der Familie zu treffen, die Dynamik einzufangen. 

Deswegen eignet sie sich wohl so gut für die Familienfotografie…

Sie zeigt in Bildern, wie die Liebe, die Verbundenheit zueinander und das Leben der Familie einmal ausgesehen hat. Damit kann den Kindern ein Stück ihrer Kindheit mitgegeben werden. Das ist ein wichtiges und tolles Erbe.

Worauf achtest du bei der Bildbearbeitung?___STEADY_PAYWALL___

Ich bearbeite Bilder nur sehr sporadisch. Mit dem Programm Adobe Lightroom verleihe ich ihnen meinen persönlichen, zeitlosen Look, der mich sehr an einen Kodak-Film von früher erinnert. Außerdem entferne ich keine Unebenheiten der Haut oder Augenringe. Ein No-Go ist für mich auch, Körperformen zu verändern. Diese Deformierung, um irgendwas besser aussehen zu lassen, geht für mich gar nicht.

Welche Locations empfiehlst du für ein Familien-Shooting?

Ich fotografier gerne bei den Familien zu Hause. Später können die Kinder dann ihre Lieblingsspielsachen auf den Bildern wieder entdecken oder sehen, wie es zu Hause einmal ausgesehen hat. Ich begleite auch gerne familiäre Rituale. Beim gemeinsamen Essen zum Beispiel entstehen immer witzige Situationen und tolle Bilder. Und wenn das Ritual der Familie ist, jeden Sonntag die Eiskönigin auf der Couch zusammen zu schauen, dann ist das auch natürlich und schön. Die tollsten Situationen und Fotos entstehen, wenn die Familie ihr Ding macht. Natürlich kann man auch raus in die Natur gehen und einen Waldspaziergang machen. Ein Besuch im Streichelzoo ist außerdem immer eine sichere Sache. Die Kinder sind dabei so mit den Tieren beschäftigt, dass sie die Kamera sofort vergessen.

Wie gelingt es auch Laien, Momente als Familie auf natürliche Weise einzufangen?

Wichtig ist, natürliche Lichtquellen zu nutzen. Also: Deckenbeleuchtung ausschalten, keinen Blitz verwenden und am Fenster fotografieren. Ein weiterer Tipp: fotografiert Situationen, nicht nur Gesichter; seid schnell und beobachtet das Geschehen genau. Wenn zu Hause fotografiert wird, sage ich den Eltern immer: räumt nicht auf! Für mich gibts nämlich nix Schlimmeres als ein aufgeräumtes Kinderzimmer. Außerdem sollten Bilder möglichst zeitlos sein. Das heißt, große Prints oder große Marken-Logos auf Klamotten vermeiden, lieber zu gedeckten als zu knalligen Farben greifen. Außerdem: wenn Bilder draußen gemacht werden, ist es wichtig, auch Draußen-Sachen anzuziehen. Man sollte niemanden zittern lassen. Wenn eine Dreijährige im Herbst mit einem weißen Kleidchen auf der Wiese rumläuft, sieht das vielleicht süß aus, ist aber total verkehrt. Zusammenfassend würde ich sagen, das Wichtigste ist, dass jeder das anzieht, worin er oder sie sich wohl fühlt. Und wenn der 13-jährige Sohn seinen Hollister-Pulli anziehen möchte, dann ist das eben so. In 20 Jahren schaut er sich das Bild wieder an und erinnert sich an seinen liebsten Pullover von damals. 

Welches Equipment ist dabei wichtig?

Für mich gilt: die beste Kamera ist die in deinen Händen. Ich kenne viele gute Fotografen, die ausschließlich mit einem iPhone 4S fotografieren. Trotzdem ist es so, dass man mit einer guten Kamera sehr wertige Bilder produzieren kann. Wenn man also in eine gute Kamera investiert, investiert man gleichzeitig in hochwertige Ergebnisse in Form von Bildern. Als kleiner Tipp: ich mag zum Beispiel meine Sony a7iii, bei der ich gerne, für die Familienfotografie, eine 35 Millimeter Festbrennweite nutze. Aber wie gesagt, es geht auch mit iPhone. 

Wilde Biester
Wer mehr über Ronny Schröder erfahren will, sollte auf seiner Website vorbeischauen: wildebiester.de
Ann-Sophie Bader
Ann-Sophie Bader

Ann-Sophie hat im Anschluss an ihr Studium an der Akademie für Mode und Design in Berlin ein achtwöchiges Orientierungspraktikum in der Naturkind Redaktion absolviert. Ihre freie Zeit verbringt die Limburgerin am liebsten mit ihrer Familie im eigenen Camper, beim Pilzesammeln in der Natur oder mit neuen Strick- und Häkelprojekten.