Bitte nicht füttern! Wenn Tierliebe zur Gefahr wird

Pferde füttern verboten
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Jeden Tag werden in Deutschland etliche Tiere Opfer falsch verstandener Tierliebe. Davon betroffen sind Wildtiere ebenso wie Nutz- und Haustiere. Die Täter:innen handeln meist in guter Absicht: Sie wollen den Tieren etwas Gutes tun und füttern sie. Doch das kann gravierende Folgen haben.

Wir Menschen haben von Natur aus einen angeborenen Fürsorgetrieb. Wenn wir für andere Lebewesen sorgen, schüttet unser Gehirn das Glückshormon Dopamin aus. Vermutlich spielt das eine große Rolle, wenn Menschen fremde Tiere füttern. Unter bestimmten Umständen spricht nichts dagegen – doch in den meisten Fällen ist es schlicht nicht notwendig und für die Tiere oftmals sogar gefährlich bis tödlich. 

Ob im eigenen Garten, bei einem Spaziergang in der Natur oder einem Bummel durch die Stadt – immer wieder begegnen wir in unserem Alltag Tieren. Einerseits Wildtieren, wie Vögeln, Fischen oder Igeln und andererseits Nutz- und Haustieren, wie Pferden, Ziegen, Schafen oder Katzen. Viele von ihnen sind neugierig, wenn sie Futter wittern und nehmen dieses gerne an. Manche sind so zutraulich, dass sie sich währenddessen aus der Nähe beobachten oder sogar streicheln lassen. Und gerade weil die Tiere in diesen Momenten nicht wirken, als könne ihnen das Futter schaden, fühlen sich viele Menschen darin bekräftigt, es ihnen bei der nächsten Gelegenheit wieder anzubieten. Dabei kann eine falsche Fütterung zu Erkrankungen führen und im schlimmsten Fall sogar tödliche Auswirkungen haben. 

Enten füttern
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Tiere im und um Gewässer

„Entenbrot ist Ententod“, lautet das Motto, an dem sich alle Menschen orientieren sollten. Backwaren jeglicher Art sind kein geeignetes Futter für Vögel wie Stockenten, Schwäne oder Möwen und auch nicht für Fische. Vor allem getrocknetes Weißbrot kann sehr gefährlich für Vögel werden, da es im Hals oder Magen aufquillt, sobald die Tiere Wasser trinken. Wo viele Vögel gleichzeitig gefüttert werden, kommt es außerdem oft zur Massenübertragung von Krankheiten. Zudem koten an diesen „Hotspots“ ungewöhnlich viele Tiere, was zur übermäßigen Verunreinigung des Wassers führt. Und nicht nur die Ausscheidungen der Tiere sorgen dafür, dass sich die Wasserqualität verschlechtert – auch die Brotreste die nicht gefressen werden sondern auf den Grund sinken und dort faulen. So kann der Sauerstoffgehalt im Wasser rapide sinken und das ganze Ökosystem gestört werden. Tiere im und um Gewässer sollten deshalb im besten Fall gar nicht gefüttert werden. Sie brauchen keine menschliche Unterstützung bei der Futtersuche, selbst in den kalten Jahreszeiten nicht. Wer sich das obligatorische „Enten füttern“ dennoch nicht nehmen lassen will, sollte eine spezielle Wildvogelfuttermischung mitnehmen und diese in kleinen Mengen und nur am Ufer, nie im Wasser, ausstreuen. 

Tiere auf Weiden

Hier gilt eine ganz einfache Regel: Ohne vorherige Absprache mit den Besitzer:innen dürfen Tiere die draußen auf Weiden stehen nicht gefüttert werden. Punkt. Das gilt für Pferde, Esel, Kühe, Ziegen, Schafe, Lamas und andere Tiere gleichermaßen. Weder Backwaren noch Zuckerwürfel sind geeignete „Leckerlis“ und selbst spezielles Futter, das extra für diese Tiere im Handel zu erwerben ist, sollte niemals verfüttert werden, wenn man hierfür keine ausdrückliche Erlaubnis hat. Viele Menschen denken, dass natürliche und unverarbeitete Lebensmittel wie Äpfel oder Karotten bedenkenlos an Weidetiere verfüttert werden können oder dass man ihnen einen Büschel Gras vom Wegesrand abrupfen und über den Zaun reichen kann. Ein Irrglaube. Manche Tiere leiden unter Allergien oder Unverträglichkeiten und können auch auf vermeintlich gesundes Futter reagieren. Und in Grasbüschen können giftige Pflanzen enthalten sein, die zu schweren Symptomen bis hin zum Tod führen können. Man geht zwar davon aus, dass beispielsweise Pferde giftige Pflanzen erkennen und meiden, doch kann Futterneid dazu führen, dass sie den über den Zaun gereichten Büschel hastig verschlingen, nur damit die Konkurrenz auf der Weide nichts davon abbekommt. Getrocknete Giftpflanzen, die ihren Geruch bereits verloren haben, können nicht immer von den Tieren erkannt werden und deshalb verzehrt werden. Außerdem kommt es nicht selten vor, dass Hunde auf das Gras uriniert haben, Zigarettenstummel und anderer Müll oder Glasscherben darin enthalten sind und von den gut meinenden Futterspender:innen übersehen werden. Selbst frisches Heu, das als Grundnahrungsmittel vieler Weidetiere gilt, kann gesundheitliche Folgen haben. So ist einmal ein Fall vor Gericht gelandet, bei dem der Besucher eines Reiterhofs an drei Pferde Heu aus einem dort herumliegenden Heuballen verfüttert hat. Zwei der Pferde haben in Folge dessen starke Koliken erlitten und mussten tierärztlich behandelt werden, eine trächtige Stute musste sogar eingeschläfert werden. Der Angeklagte musste mehrere Tausend Euro an den Pferdebesitzer bezahlen – der auf weiteren Tausenden Euros, die er für die Behandlung und den Rechtsstreit ausgeben musste, sitzen geblieben ist. Vom Verlust eines Pferdes und Fohlens ganz abgesehen. Urteile wie diese findet man zuhauf. Wer ein fremdes Tier füttert und diesem damit schadet, muss mit einer Strafe rechnen. Oft werden die Schuldigen jedoch gar nicht ausfindig gemacht und die Besitzer:innen müssen für alle verursachten Kosten selbst aufkommen. Doch nicht nur die Gefahr, dass die Tiere an dem Futter selbst erkranken oder sterben können ist gegeben, auch verletzen sich Tiere manchmal gegenseitig, wenn sie sich um Futter streiten. Man darf davon ausgehen, dass die meisten Tiere von ihren Besitzer:innen regelmäßig und nach individuell abgestimmten Plänen gefüttert werden. Wer den Eindruck hat, dass Tiere schlecht gehalten werden und unterernährt sind, sollte das zuständige Veterinäramt verständigen und nicht auf eigene Faust handeln. 

Tiere im eigenen Garten

Auf dem eigenen Grundstück, sei es im Garten oder auch auf dem Balkon begegnen einem regelmäßig Tiere. Vor allem Vögel sind hier gerne zu Gast, aber auch Kaninchen, Eichhörnchen, Marder, Ratten und Mäuse, oder Hauskatzen aus der Nachbarschaft. Im Herbst sieht man vielleicht auch Igel umherlaufen, in ländlichen Gebieten trauen sich manchmal sogar größere Wildtiere, wie Füchse, Rot- und Dammwild nah an Wohnhäuser heran. Solange die Tiere weder verletzt, noch erkrankt sind, benötigen sie keine menschliche Hilfe. Hauskatzen bekommen bei ihren Besitzer:innen regelmäßig Futter, an das ihre Verdauung gewöhnt und das auf eventuelle Allergien und Unverträglichkeiten abgestimmt ist. Ihnen Katzenfutter oder gar Kuhmilch anzubieten, kann bei ihnen Durchfall auslösen. Eine Überfütterung kann außerdem zu Übergewicht und dadurch verursachten Spätfolgen führen. Vermutet man, dass eine Katze keine Besitzer:in hat, sollte man versuchen, dies in Erfahrung zu bringen. In Deutschland leben zufolge zwei Millionen streunende Katzen, schätzt der Deutsche Tierschutzbund. Jedoch sind diese oft scheu und meiden den Kontakt zu Menschen. Diese Tiere sind oft krank und erregen Mitleid, weshalb viele Menschen nicht anders können, als sie zu füttern. Damit ist zwar ihr Hunger gestillt, doch ihr Leid nicht dauerhaft beendet. Wer eine verwilderte Katze sieht, sollte das Ordnungsamt oder einen lokalen Tierschutzverein informieren. Es ist wichtig, dass diese Tiere kastriert werden, um eine Überpopulation zu vermeiden und Wildtiere zu schützen. Laut Schätzungen des NABU töten frei lebende Katzen jedes Jahr allein in Deutschland 30 bis 100 Millionen Vögel – und darüber hinaus kleine Säugetiere. Werden streunende Katzen eingefangen, können sie außerdem untersucht und gegebenenfalls medizinisch versorgt und registriert werden. Wer für sie etwas Gutes tun will, kann einen entsprechenden Tierschutzverein oder eine Tiertafel Futter, Sach- oder Geldspenden übergeben.

Bitte nicht füttern
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Wildtiere wiederum bedienen sich am reich gedeckten Buffet der Natur und ernähren sich beispielsweise von Früchten, Nüssen und Kernen, Insekten und Käfern, Würmern, Schnecken, Eiern oder jagen kleinere Vögel und Säugetiere. Sie brauchen kein zusätzliches Futter – schon gar keine getrockneten Backwaren für Vögel oder Katzenfutter und Milch für Igel! Wer ihnen etwas Gutes tun will, sorgt für einen Insektenfreundlichen Garten mit vielen Wildblumen und verwendet keine künstlichen Düngemittel oder Pestizide. So bleibt die Natur im Gleichgewicht und das Nahrungsangebot vielfältig. In heißen Sommermonaten mit wenig Niederschlag kann man Vögeln und Insekten mehrere Trinkwasserquellen anbieten – diese werden in der Regel gerne angenommen. Wer sich dafür entscheidet, Wildvögel zu füttern, sollte dies das ganze Jahr über tun und nicht nur im Winter. Dabei gibt es allerdings einiges zu beachten: So sollten nur spezielle Wildvogelfuttermischungen verfüttert und die Futterstellen regelmäßig gereinigt werden – sie sind ansonsten Übertragungsherde für Krankheiten, die über Ausscheidungen von einem zum nächsten Vogel übertragen werden können.

Tiere im Wildpark

Wer Freude daran hat, Tiere zu füttern und aus der Nähe zu beobachten, ist in einem Wildpark gut aufgehoben. Hier kann man meist an der Kasse und oft auch an aufgestellten Futterautomaten spezielles Futter kaufen. Dieses ist beispielsweise für Ziegen geeignet, die es freudig aus den flach nach vorne gestreckten Händen der Besucher:innen schlecken. Unbedingt zu achten ist jedoch auch im Wildpark auf Schilder an den Gehegen, auf denen das Füttern untersagt wird. Denn einige der dort lebenden Tiere würden auch das im Park erhältliche Futter nicht vertragen. Auf keinen Fall sollte man Futter von Zuhause mitbringen oder gar Essensreste vom Picknick verfüttern. Interessanyt ist es, die offiziellen Fütterungen der Tiere zu beobachten, die durch geschulte Tierpfleger:innen – oft mit einer kleinen Showeinlage – zu bestimmten Uhrzeiten vorgenommen werden. Wann man vor welchem Gehege stehen sollte, erfährt man auf der jeweiligen Website oder beim Eintritt an der Kasse. Wer die im Wildpark lebenden Tiere unterstützen will, kann eine Patenschaft übernehmen oder eine Spende tätigen und so einen Teil der Kosten des artgerechten Futters tragen. 

Das kann passieren, wenn man fremde Tiere füttert:

  • Verletzung durch Rangeleien mit Artgenossen (Stichwort Futterneid)
  • Reaktionen aufgrund einer Unverträglichkeit oder Allergie
  • Verhaltensauffälligkeiten
  • Vergiftungssymptome durch Pflanzenteile 
  • Aufnahme von Unrat und Müll (wie Zigarettenstummel)
  • Verdauungsbeschwerden bis hin zu starken Koliken
  • Übertragung von Krankheitserregern über verunreinigte Futterplätze
  • Überfütterung und deren Folgen, wie Übergewicht und Diabetes
  • Störung eines (therapeutischen) Futterplans
  • Verunreinigung von Gewässern und Ungleichgewicht des Ökosystems
  • Tod des Tieres
Rebecca Sommer Journalistin Autorin Naturkind
Rebecca Sommer

Rebecca Sommer hat nach ihrem Studium ein Volontariat bei einer Tageszeitung absolviert und war als Redakteurin und Buchautorin für diverse Verlage und Medien tätig. Heute arbeitet die vierfache Mutter als Geschäftsführerin der nachhaltigen Werbeagentur between und leitet das Projekt Naturkind. Mit ihrer Familie lebt die 35-Jährige auf einem Hof in der Nähe von Hamburg.