Immer mehr Eltern machen sich Gedanken über das Thema Nachhaltigkeit am Wickeltisch und interessieren sich für moderne Stoffwindel-Syteme. Stoffwindeln sind schon ein guter erster Schritt in die richtige Richtung. Doch es geht noch nachhaltiger: In Kombination mit der Windelfrei-Methode.
Bei der Windelfrei-Methode, die auch Ausscheidungskommunikation genannt wird, achten Eltern auf die Zeichen ihrer Babys und erkennen mit etwas Übung und Erfahrung, wann diese sich erleichtern müssen. Diesen Moment passen sie ab, um sie abzuhalten und frei ausscheiden zu lassen. Zwischendurch tragen auch Babys, mit denen die Windelfrei-Methode praktiziert wird, Windeln. Im Idealfall nachhaltigere Stoffwindeln.
Die folgenden 13 Gründe sprechen aus meiner Sicht für eine Kombination von Stoffwindeln mit der Windelfrei-Methode.
1. Nässefeedback
Unser Gehirn braucht Feedback, um effektiv zu arbeiten. Es tut nur, was Sinn macht – und wenn ein Baby sich einnässt, aber der Superabsorber jede Empfindung von Ausscheiden und Nass werden sofort abdämpft, lagert das Gehirn diesen Prozess ans Unterbewusstsein aus. Schlussfolgerung des Gehirns ist nämlich: Hier kann Energie gespart werden, denn es gibt keinen Handlungsbedarf. Pipi bedeutet trotzdem (scheinbar) trocken bleiben, und dieser Mechanismus verselbstständigt sich und kann dazu führen, dass das Kind pathologisch bettnässt – ein Phänomen, das mittlerweile zur zweithäufigsten chronischen Erkrankung bei Kindern in Deutschland geworden ist.
Stoffwindeln hingegen saugen den Urin langsamer, sodass das Gehirn noch Zeit hat zu registrieren, dass es bei Ausscheidung nass wird. Wird das Baby prompt gewickelt und zusätzlich abgehalten, bleibt der Prozess im Bewusstsein, das Kind kann seine Ausscheidungen immer besser und bewusster steuern.
2. Doppelt weniger Müll
Stoffwindeln haben den Vorteil, dass sie jahrelang und von mehreren Kindern genutzt werden können. Handgemachte Stoffwindeln können besonders energieschonend hergestellt werden und Wollüberhosen brauchen kaum gewaschen werden, da sie von Natur aus über einen selbstreinigenden Effekt verfügen. Ausspülen und in der Sonne trocknen reicht meist.
Wer sein Baby abhält, hat oft schon nach einigen Wochen oder Monaten kein großes Geschäft mehr in der Hose oder Windel, und auch viele Pipis gehen in Toilette oder Töpfchen. Entsprechend braucht es nur wenige Überhosen, da die ja meist sauber bleiben. Nur ein Stapel Einlagen wird hin und wieder gewaschen.
3. Früher selbstständig trocken
Durch das Nässefeedback und das freie Ausscheiden sind Babys ab Geburt in Kontakt mit ihren Körperprozessen. Die betreffenden Nervenbahnen werden genutzt und weiter gestärkt, sodass selbst Kinder, die nur phasenweise abgehalten wurden, im Schnitt früh selbstständig trocken sind. Schon mit Stoff gewickelte Kinder sind früher trocken. WindelFREI-Kinder gehen in der Regel zwischen dem ersten und zweiten Geburtstag selbstständig auf Töpfchen oder Toilette.
4. Flexibilität unterwegs
Auch bei Ausflügen sind Familien mit Stoffwindeln und WindelFREI um einiges flexibler unterwegs. Besonders mit sogenannten Abhaltewindeln und ggf. einem kleinen Gefäß kann das Kind sich überall spontan und schnell erleichtern, es braucht keinen Wickeltisch, keine große Wickeltasche, nicht mal einen Platz, um das Baby irgendwo abzulegen. Auch verbleibt aufgrund der anatomisch optimalen Ausscheideposition fast nichts am Po, was noch abgewischt werden müsste – gekaufte Feuchttücher erübrigen sich.
5. Flexibel im Alltag
Dein Baby signalisiert, dass es mal muss? Dann hältst du es einfach über ein Töpfchen. Du hast gerade wenig Zeit, um auf das Baby zu achten? Kein Problem, die Stoffwindel hält die Ausscheidung ebenso gut wie eine Plastikwindel. Dein Baby schläft oder stillt unruhig, weint und windet sich? Vielleicht liegt ein Pups quer oder es möchte frei ausscheiden. Die Abhalteposition bringt oft Erleichterung, ruhiges Stillen und entspannteren Schlaf.
6. Leichte Pflege, wenig Aufwand
Durch das regelmäßige Abhalten des Babys zum freien Ausscheiden ist auch der Pflegeaufwand der wenigen Stoffwindeln, die man benötigt, sehr gering. Aufgrund der selbstreinigenden Eigenschaften von Wolle fällt kaum zusätzliche Wäsche an. Ab und zu eine Lanolin-Kur brauchen Wollwindeln, um weiterhin dicht genug zu halten, aber auch die erledigt sich nebenbei. Atmungsaktive PUL-Überhosen brauchen kein Lanolin, die kommen dann und wann einfach mit in die Waschmaschine, um wieder etwas frischer zu riechen.
7. Gutes Klima in der Hose
Die Temperatur in einer Plastikwindel ist grundsätzlich erhöht, führt zu Schwitzen und einem warm-feuchten Klima, das Auswirkungen auf die Spermienproduktion haben kann und eine schmerzhafte Windeldermatitis begünstigt. Etwa 80 Prozent der Kinder haben mindestens einmal einen solchen Ausschlag im Genitalbereich, jedes dritte Kind ist sogar chronisch betroffen.
Stoffwindeln stauen die Hitze nicht. Gerade Wollwindeln wirken temperaturausgleichend und erhalten ein gesundes Klima im Genitalbereich.
Praktisch zu hundert Prozent geschützt gegen Überhitzung und jegliche Form von Ausschlägen sind Babys und Kinder, die regelmäßig abgehalten und ggf. zusätzlich in Stoff gewickelt werden.
8. Gesünder leben und aufwachsen
Wusstest du, dass noch viel mehr gesundheitliche Probleme auf die Vollzeitnutzung von Plastikwindeln zurückzuführen sind?
Zieh deinem Baby doch beim Stillen einfach mal Windel aus, und lass es generell öfters mal frei ausscheiden. So kann es in Ruhe trinken und sich vollständig entleeren. Viele Stillprobleme und Koliken lösen sich dann in Luft auf. Am leichtesten lässt sich das in den Alltag integrieren, wenn abhaltetaugliche Kleidung und ggf. Abhaltewindeln aus Stoff genutzt werden. So kann das Kind schnell und flexibel überall abgehalten oder auch gewickelt werden.
9. Unabhängigkeit hilft in schwierigen Situation
Als ich noch in Wegwerfwindeln gewickelt wurde, trug sich eine Situation zu, die auch heute noch passieren kann. Wir reisten durch die Türkei und hatten für die Nacht in einem türkischen Dorf Halt gemacht, als meine Eltern merkten, dass die Windeln ausgingen. Es war fast ein Ding der Unmöglichkeit, eine Plastikwindel in einem Geschäft zu finden. Hier zeigte sich die starke Abhängigkeit von Wegwerfwindelverfügbarkeiten, in der Eltern mittlerweile leben.
Produktknappheit, Anstieg der Preise, temporäre Schwierigkeiten einkaufen zu gehen. All das sind keine Probleme für Eltern, die abhalten und als Backup Stoffwindeln nutzen. Alles, was gebraucht wird, ist bereits da, und selbst wenn nicht, wissen diese Eltern sich mit Abhalten zu helfen.
10. Qualität & Herz unterstützen
Sowohl die Hersteller von Abhaltekleidung und -stoffwindeln als auch von kleinen Töpfchen sind größtenteils Frauen, die selbst mit Stoff wickeln und WindelFREI praktizieren, und in liebevoller Arbeit als Solopreneure ihr Herz und ihre Erfahrungen in die Arbeit stecken. Auf beste Qualität wird geachtet, viele der Materialien sind bio, regional oder upgecyclet und werden liebevoll verarbeitet.
11. Minimalismus am Wickeltisch
Schubladen voller Plastikwindeln? Ständig neue Feuchttücher kaufen? Alle paar Tage Riesensäcke voller Windelmüll rausbringen und für den Gestank wiederum Wundermittelchen und Hacks recherchieren? Wickeltasche, Wickelunterlage, Windeleimer – so vieles, was sich allein ums Wickeln dreht.
Wie lobe ich mir da den Minimalismus, der mit Stoffwindeln und WindelFREI möglich ist. Ein paar ausgewählte Lieblingsüberhosen können einfach in den Kleiderschrank mit einsortiert werden. In der Wohnung finden sich ein, zwei Töpfchen. Feuchttücher braucht es eh nicht, hier reichen Waschlappen oder einfach nur das Waschbecken. Selbst für unterwegs braucht es nicht mehr als eine kleine Wetbag für nasse Einlagen, ein paar Stofffetzen zum Abtupfen und Wechseleinlagen.
12. Platz im Geldbeutel
All die genannten Accessoires fürs Wickeln kosten Geld, und das nicht wenig. Tausende Euro fließen tatsächlich in diese Form von Babypflege, für jedes Kind aufs Neue.
Auch wenn Stoffwindeln erst einmal in der Anschaffung teuer erscheinen, so sind sie doch die mit Abstand günstigere Variante, gerade in Verbindung mit WindelFREI. Gesamtkosten hat man bei dieser Kombination zwischen null und ein paar hundert Euro – und diese dann auch nur einmal, egal, wie viele Kinder man noch wickelt und abhält.
Investieren könnte man so locker noch in einen WindelFREI-Kurs oder eine Beratung. Wer unsicher ist, welche Stoffwindeln oder Abhaltewindeln ihm oder ihr zusagen, kann auch für günstig ein Mietpaket nutzen und sich erstmal ausprobieren, bevor gekauft wird.
13. Macht einfach Spaß und Freude
Bunte Motive, kuschelig weiche Naturmaterialien, ein glücklich pullerndes Baby und nicht zu vergessen: Keine auslaufenden Kacka-Windeln, Pipi-Unfälle auf dem Wickeltisch oder wunde Popos. WindelFREI und Stoffwindeln sind viel mehr als ein notwendiges Übel: Sie sind Beziehung zum Baby, naturnahe Babypflege und aktiver Umweltschutz.
Janina Pohle
Janina Pohle ist seit der Geburt ihrer großen Tochter 2016 begeisterte Windelfrei-Mama und -Coach in Hamburg und online. Bereits über tausend Eltern hat sie auf ihrer Online-Plattform WindelFREIraum, in Kursen und Coachings auf ihrem Windelfrei-Weg begleitet. Sie hat die Windelfreiwoche und offene WindelFREI-Meetups in ganz Deutschland, Österreich und Schweiz initiiert. Heute bietet sie außerdem Challenges und Kurse zu weiteren Körperbewusstseins-Themen wie Nopoo und Free Bleeding an.